Kommentar Inkrafttreten von Ceta: Bitte weiter demonstrieren
Aktivisten dürfen sich auf die Schulter klopfen. Sie haben Ceta von Schädlichem entkernt. Doch der Pakt enthält immer noch Hochproblematisches.
F reihandel ist ein sperriges Thema. Und dennoch das einzige, das in den vergangenen Jahren wirklich mobilisierte. Hunderttausende Demonstranten fürchteten, die EU-Pakte mit Kanada und den USA würden europäische Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik aushebeln. Doch der alte Kontinent steht immer noch – doch der Trubel um TTIP und Ceta hat sich verflüchtigt. Selbst in diesen neurotischen Wahlkampfzeiten spielen die lange dämonisierten Abkommen keine Rolle.
Das liegt vor allem an Donald Trump, der den Teufelspakt mit Brüssel einfach auf Eis legte. Aber auch daran, dass viele Debatten noch ausstehen. Zwar treten an diesem Donnerstag große Teile von Ceta in Kraft. Der Investorenschutz, der so etwas wie eine Paralleljustiz für Konzerne schafft, gilt vorerst nicht. Viele Zölle zwischen Kanada und der EU fallen dagegen weg – das klingt sogar begrüßenswert.
Man könnte auch sagen: Ceta tritt vorläufig in Kraft – aber nicht mehr lange. Denn: Bislang wurde das Abkommen erst in 5 der 28 Mitgliedstaaten ratifiziert, Deutschland ist wahrscheinlich erst 2018 dran. Bei der Abstimmung in Prag brachte ein Abgeordneter zwei Päckchen Butter mit, um zu zeigen, dass Ceta zu höheren Preisen und Nachteilen für die Verbraucher führe. Fast ausgeschlossen, dass das Abkommen ungeschoren am deutschen Bundesrat, dem Europäischen Gerichtshof, dem österreichischen Parlament, der belgischen Regierung oder einer Volksabstimmung in den Niederlanden vorbeikommt.
Die Zivilgesellschaft darf sich dafür auf die Schulter klopfen, Ceta und vergleichbare Abkommen von vielem Schädlichem entkernt zu haben. Aber: Jetzt bitte nicht nachlassen! Die Ratifizierung läuft, europaweit. Der Pakt enthält immer noch Hochproblematisches, so den Wegfall von Importauflagen für klimaschädliches Öl aus Teersand. Also: Bitte weiter demonstrieren!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin