Kommentar Ibizagate und die Folgen: Ein möglicher Strache-Moment
Ob sich die Enthüllung auf die Europawahl auswirken wird, bleibt abzuwarten. Doch ein Ausruhen auf dem Abgang der FPÖ wäre naiv.
![Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache schauen sich an Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache schauen sich an](https://taz.de/picture/3452317/14/114248445.jpeg)
F ür die Europawahl könnte der Skandal um die österreichischen Rechtsextremen ein Moment der Erkenntnis sein: der Strache-Moment. Ob sich dessen Enthüllung aber auf die Wahlergebnisse auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Ob in Deutschland, in Frankreich oder in Italien: rechtsextreme Parteien haben ihre Kernwählerschaft. Diese werden wieder ihre rechten Parteien wählen, trotz oder gerade wegen der Vorgänge um Heinz-Christian Strache. Denn der Opfermythos, wie ihn der ehemalige österreichische Vizekanzler bei seiner Rücktrittsrede bemüht hat, funktioniert für die Entschiedenen. Für sie bleibt die Erzählung einer feindlichen Verschwörung attraktiv.
„Ibizagate“ eignet sich hervorragend für die Selbstvergewisserung dieser Wähler, die sich nun umso leidenschaftlicher in ihrem abgeschlossenen Weltbild suhlen werden.
Dann gibt es aber noch die anderen, die diese Parteien in der Vergangenheit gewählt haben – und wieder wählen würden. Sie sind nicht entschlossen, eher affin, auf der Suche nach Alternativen, aber geneigt zu falschen Antworten auf echte Probleme. Für sie könnte die Causa Strache ein Moment der Aufklärung sein. Denn sie zeigt, dass in der Politik Form und Inhalt zusammengehören.
Das gemeinsame Werk von FPÖ und ÖVP
Es wundert nicht, dass Antidemokraten, die die Prozesse demokratischen Ausgleichs verwerfen, auf eine freie Presse spucken und den Rechtsstaat vor allem dann anrufen, wenn sie schneller abschieben wollen, auch zum schnellen, wenn auch nicht ganz legalen Griff zur Macht neigen. Wieso soll sich jemand, der die Regeln eines Spiels verabscheut, an Spielregeln halten?
Die Erkenntnis darf sich aber nicht auf die dezidierten extremen Rechten beschränken, sondern muss auch diejenigen umfassen, die mit ihnen zusammenarbeiten, politische Ideen und Projekte teilen. Denn was in Österreich in den vergangenen 17 Monaten gegen Migranten, Arbeitnehmer und Arbeitslose unternommen wurde, ist das gemeinsame Werk von FPÖ und ÖVP.
Während Sebastian Kurz seine gute Miene zum bösen Spiel wahren konnte, scheiterte die FPÖ letztlich an der zeitgenössischen Herausforderung, den Balanceakt zwischen radikalen Gesten und bürgerlichem Anschein zu halten.
Für Österreich heißt das, dass ein Ausruhen auf dem Abgang der FPÖ naiv wäre. Ein nach den Neuwahlen möglicherweise noch stärkerer Bundeskanzler Sebastian Kurz müsste vielmehr misstrauisch stimmen. Für den Ausgang der Europawahl wird dagegen entscheidend sein, ob die Rechtsaffinen dies erkennen – und davon absehen, offensichtliche und weniger offensichtliche Antidemokraten zu wählen.
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