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Kommentar IS in KobaniKampf gegen die Zeit

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Fällt Kobani an den IS, steht die Türkei vor dem Bürgerkrieg. Nur eine türkisch-kurdische Verständigung kann das verhindern.

Rauchwolken über der Stadt. Bild: dpa

D ie letzten Nachrichten aus Kobani sind schlecht. Angeblich haben Milizen des sogenannten „Islamischen Staat“ Freitagmittag das Hauptquartier der Kurden im Zentrum von der Stadt erobert und versuchen nun, bis zur türkischen Grenze vorzustoßen um den Kurden jeden Weg raus aus Kobani abzuschneiden.

Das könnte darauf hindeuten, dass der Fall von Kobani unmittelbar bevorsteht und es dann, wie die UN warnt, ein Massaker an der verbliebenen Zivilbevölkerung und den Kämpfern gibt. Andererseits wurde der Fall der Stadt schon vor Tagen erwartet und die Kurden haben es doch immer wieder geschafft, sich noch zu behaupten. Halten sie auch jetzt noch ein paar Tage durch, besteht zu mindestens die kleine Chance, dass doch noch wirksame Hilfe von Außen kommt.

Die Voraussetzungen dafür sind, dass die türkische Regierung sich mit den USA über die Grunsätze eines Feldzuges gegen IS einigt, und dass es eine Verständigung über die nahe Zukunft zwischen Ankara und Vertretern der kurdischen PKK gibt. Für die türkische Regierung sind die Kurden in Kobani eine Unterorganisation der PKK. Hilfe für Kobani setzt deshalb eine Absprache zwischen dem historischen PKK-Führer Abdulla Öcalan, der aktuellen PKK-Führung im Nordirak und der Regierung in Ankara voraus.

Kobani könnte deshalb entweder zu einem Brandbeschleuniger im türkisch-kurdischen Konflikt werden oder aber eine schnellere Absprache in den seit einem Jahr geführten Friedensverhandlungen erzwingen, als ursprünglich geplant.

Kämpfe in Kobani

Beim Kampf um die nordsyrische Grenzstadt Kobani hat die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) laut Aktivisten das Hauptquartier der kurdischen Streitkräfte erobert. Die Dschihadisten hätten die Kommandozentrale eingenommen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag. Die Dschihadisten kontrollieren inzwischen 40 Prozent der Stadt. (afp)

Das braucht aber noch ein paar Tage Zeit und die kommt nur, wenn die Unterstützung der Kurden aus der Luft wirksamer wird. Die USA wollen dafür endlich ihre Airbase im südtürkischen Incirlik nutzen können, weil dann Kampfhubschrauber zum Einsatz kämen, die IS effektiver angreifen können. Dafür widerum muss sich Obama bereiterklären, türkische Forderungen wie die Errichtung von Schutzzonen wenigstens in Erwägung zu ziehen. Diese Schutzzonen könnten ja zunächst außerhalb der kurdischen Autonomiegebiete liegen.

Der Kampf in Kobani ist deshalb auch ein Kampf gegen die Zeit. Noch einige Tage Verhandlungen hinter den Kulissen könnte dazu führen, dass die türkische Regierung ihre derzeitige Haltung, nur zuzuschauen wie IS vorwärtsdringt, aufgibt und Nachschub für die Kurden durchlässt. Die Chance ist nicht groß, besteht aber noch. Sollte die türkische Armee jedoch tatenlos zuschauen, wie der IS in Kobani ein Massaker veranstaltet, steht die Türkei vor einem kurdisch-türkischen Bürgerkrieg.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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6 Kommentare

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  • Ein Stammtischstratege, der sogar noch den Bürgerkrieg herbeiredet. Pfui!

    • @bouleazero:

      Einen Bürgerkrieg "herbeireden" können allerhöchstens einflussreiche türkisch- bzw. kurdischsprachige Medien. Es muss ja wohl noch erlaubt sein, sich Gedanken darüber zu machen und diese zu äußern, wie der ganze Mist sich in Zukunft entwickeln wird. Das gilt für Taz-Schreiberlinge genauso wie für Stammtisch-Teilnehmer. Wenn Ihnen keine angebrachte, sachliche Kritik einfällt, könnten Sie sich doch einfach zurückhalten.

  • Auszug aus dem Interview: Der türkische Premier Erdogan hat nach meinem Empfinden einen großen Fehler begangen, indem er, übrigens wie alle westlichen Staaten auch, zu früh davon ausgegangen ist, dass Baschar al-Assad schnell zu stürzen sei. Er hat offenbar geglaubt, dass sich in Syrien das libysche Szenario wiederholen würde, Baschar al-Assad innerhalb weniger Monate gestürzt würde und er als türkischer Premierminister gewissermaßen einen weiteren Boom an Prestige erleben würde in der arabischen Welt.

     

    Aber die Türkei bezahlt den höchsten Preis für die Fehleinschätzung der Situation: Nicht nur durch die Zunahme der Flüchtlingszahlen, sondern auch mit Blick auf die Gefahr einer bewaffneten Eskalation an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien. Und vor allem ist natürlich nicht auszuschließen, dass es vermehrt in Istanbul und anderen großen Städten der Türkei Terroranschläge geben wird von radikalen Kurden, aber auch von syrischen Kämpfern.

     

    Hinzu kommt, dass der Krieg oder das türkische Engagement auf Seiten der Opposition in Syrien vor allem von den türkischen Aleviten nicht wirklich gutgeheißen wird. Diese sympathisieren, zumindest emotional, eher mit den Aleviten in Syrien, mit Baschar al-Assad. Dieses Problem kann Erdogan nur lösen, indem er einen nationalen Dialog einleitet: Sowohl mit den gemäßigten Teilen der kurdischen Bevölkerung als auch mit den Aleviten. Tut er das nicht, dann riskiert er, dass die Türkei immer mehr in diesen Krieg hineingezogen wird. http://www.dw.de/l%C3%BCders-erdogan-hat-gro%C3%9Fen-fehler-begangen/a-16292179

  • Telepolis ( Tomasz Konicz 10.10.2014): Erdogan auf Bürgerkriegskurs

    Während die kurdischen Verteidiger der belagerten Stadt langsam ausbluten, geht das geopolitische Geschacher innerhalb der Antiterrorkoalition munter weiter. Die Türkei ist weiterhin nicht bereit, einen Hilfskorridor für Kobane einzurichten. Die türkischen Sicherheitskräfte verhafteten sogar Hunderte der aus Syrien geflohenen Kurden unter dem Vorwand der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, um deren spätere Rückkehr und Teilnahme an den Kämpfen um Kobane zu verhindern.

  • Einen Bürgerkrieg,den sich Erdogan redlich verdient hat.

  • „Hilfskorridor“ anstatt Pufferzone

    FAZ: "Freies Geleit für Kobanes Kurden?

    Die Debatte über eine mögliche Pufferzone in Nordsyrien hilft den in Kobane eingeschlossenen Zivilisten nicht weiter. Hilfsorganisationen dringen darauf, den Flüchtlingen freies Geleit über türkisches Territorium zu gewähren. Die IS-Miliz ist weiter auf dem Vormarsch.

    ... Die Ko-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), Asya Abdullah, forderte deshalb am Freitag abermals einen „Hilfskorridor“, um den Menschen die Flucht aus dem Kampfgebiet zu ermöglichen.

    ... Abdullah beklagte, dass dieser Forderung von der amerikanisch-arabischen Allianz jedoch wenig Gehör geschenkt werde. ... "

    Also:

    1. US-Aktionen von Incirlik aus

    2. „Hilfskorridor“ für Flüchtlinge

    3. „Hilfskorridor“ für kurdischen Nachschub und Truppen

    Und wo ist unsere Regierung? Wo ist Frau Merkel? Was wird getan um hier ein Massaker zu verhindern. Frau Merkel und unserer Regierung versagen total. Anstatt intensiv Druck auf die Türkei auszuüben, passiert nichts. Außer: Flüchtlinge aufnehmen?