Kommentar Homosexualität Indien: Die Welt ist eine Familie

In Indien hat das Oberste Gericht Homosexualität legalisiert. Das ist ein Erfolg für liberale Kräfte auf der ganzen Welt.

Eine Frau und eine Prson aus der LGBT-Gemeinschaft freuen sich vor einer Regenbogenflagge

Die indische LGBTI-Community ist glücklich über die Legalisierung von Homosexualität Foto: dpa

Zu einer Zeit, in der liberale Errungenschaften und Menschenrechte weltweit unter Druck sind, ist das Urteil des Obersten Gerichts in Indien, wonach der „Homosexuellenparagaf“ 377 „irrational“ und „willkürlich“ sei und deswegen abgeschafft gehört, endlich wieder eine gute Nachricht. Dabei spiegelt das Urteil nicht nur die Entwicklung der indischen Gesellschaft, hinter der die Politik mit ihren verkrusteten Strukturen und Mechanismen der Mehrheitsbeschaffung zurückgeblieben ist.

Für Liberale in Europa sollte dies auch ein Signal dafür sein, dass sich Verbündete im Kampf gegen die grassierenden autoritären Tendenzen und „illiberale Demokratie“ auch zunehmend anderswo finden lassen als in den Ländern des traditionellen Westens. Dass dabei Indien nicht immer den Goldstandard des liberalen Rechtsstaats erfüllt, ist zweitrangig, denn das tun auch zunehmend unsere engsten Verbündeten nicht und wir selbst verstoßen leider auch oft genug gegen unsere eigenen Grundsätze.

Im Falle von LGBTI-Rechten hat der christliche Einfluss der britischen Kolonialmacht in Indien eine weitaus liberalere Tradition an den Rand gedrängt. Dies sollte Anlass zu einem Dialog geben, der endlich mit dem Überlegenheitsgefühl des „christlichen Abendlandes“ abschließt und sich dem in anderen Kulturen und Traditionen vorhandenen Liberalismus öffnet.

Dieser Dialog muss vor allem von der Zivilgesellschaft vorangetrieben werden, denn weite Teile der Politik im Westen sind derzeit damit beschäftigt, Gespenster der Vergangenheit abzuwehren. Die Zeit für ein neues liberales Denken, das Erfahrungen und Traditionen nichtwestlicher Kulturen einschließt, ist daher schwierig, aber sie ist jetzt.

Die indische Tradition kennt hierfür übrigens einen schönen Ausdruck: „Vasudhaiva Kutumbakam“ (Sanskrit für „Die Welt ist eine Familie“). Dieser Satz aus der Maha Upanishad, einem heiligen Text der Hindus, ist in der Eingangshalle des indischen Parlaments eingraviert.

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Britta Petersen ist Senior Fellow bei der indischen Denkfabrik Observer Research Foundation (ORF) in Neu-Delhi und Mitglied im Korrespondenten-Netzwerk "weltreporter.net". Bis 2014 war sie Bueroleiterin der Heinrich Boell Stiftung in Pakistan, zuvor Redakteurin und Korrespondentin der Financial Times Deutschland (FTD) in Berlin, Kabul und Neu-Delhi (bis 2010). Fuer ihre Arbeit mit jungen afghanischen Journalisten erhielt sie 2005 den Leipziger "Preis fuer die Freiheit und Zukunft der Medien" und 2009 den "Gisela Bonn Preis" für Beiträge zur deutsch-indischen Verständigung.

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