piwik no script img

Kommentar Homophobie im FußballEin verhängnisvolles Urteil

Frederik Schindler
Kommentar von Frederik Schindler

Das sächsische Sportgericht sieht eine herabwürdigende Frage nach dem Schwulsein eines Spielers als „fußballtypisch“ an. Eine fatale Begründung.

Umarmungen unter Männern sind beim Fußball Alltag. Homofeindlichkeit leider auch Foto: dpa

E ine leider nicht seltene Szene im Männer-Amateurfußball: 7. Liga, Dezember 2018, der Rote Stern Leipzig (RSL) ist beim SV Naunhof 1920 zu Gast. Als ein RSL-Spieler während der Manndeckung einem Naunhof-Spieler nah kommt, wird dieser auf herabwürdigende Weise gefragt, ob er schwul sei und anschließend als „Schwuchtel“ und „Arschficker“ beleidigt. Der Rote Stern Leipzig berichtet dies gegenüber dem Online-Portal Belltower.News und reicht beim Sportgericht Beschwerde ein.

Das Sächsische Sportgericht meint dazu: Die Frage nach dem Schwulsein sei „gerade noch als fußballtypisch anzusehen“ und stelle „kein tatbestandsrelevantes, sportwidriges Verhalten dar“. So wird ein Urteil vom 10. März 2019 begründet, das der taz vorliegt. Da die anderen Äußerungen vom Spieler bestritten werden, wird das Verfahren „wegen Unverhältnismäßigkeit der Verfahrensfortsetzung eingestellt.“

Diese Urteilsbegründung ist ein fatales Signal. Sie zeigt erneut, dass die Grammatik des Männerfußballs von einer Abwertung von Weiblichkeit und Nicht-Heterosexualität durchzogen ist. Und sie zeigt erneut, dass Hass auf Homo- und Bisexuelle im Fußball, insbesondere im Amateurbereich, häufig nicht ernst genommen wird.

Der aktuelle Fall ist sogar besonders problematisch. Eigentlich lässt die extreme Assoziation von Fußball und Männlichkeit fast jedes Verhalten als männlich erscheinen, zeigt die Kulturwissenschaftlerin Almut Sülzle in einer Studie zum Thema. Umarmungen und Berührungen zwischen Männern gelten auf dem Fußballplatz und auch im Fanblock als vollkommen selbstverständlich.

Wer sich also in einer intensiven Kontaktsportart von Berührungen anderer gestört fühlt, sollte nicht nur überlegen, ob er die passende Sportart betreibt, sondern auch einmal überlegen, woher diese Sorge kommt. Hier wäre tatsächlich einmal der Begriff Homophobie passend, dessen analytischer Gehalt sonst eher als gering zu bewerten ist.

Wenn so ein Vorfall dann vom Sportgericht in dieser Weise relativiert wird, kann dies verhängnisvolle Folgen haben. Der Fall zeigt exemplarisch eine mangelnde Sensibilisierung von Spielern, Schiedsrichtern und Funktionären. Er verweist auf eine Fußballkultur, die nur extrem limitierte Vorstellungen von Sexualität und Geschlecht akzeptiert. Darauf, dass schwule und bisexuelle Spieler noch immer versteckt und in Angst vor der Entdeckung leben sowie LGBT-Personen in den Fanszenen weiterhin marginalisiert sind. Die aktuelle Urteilsbegründung ist dafür natürlich nicht alleine verantwortlich. Sie ist allerdings ein Baustein gegen eine progressive Entwicklung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Schindler
Freier Mitarbeiter
Bis Juni 2019 freier Mitarbeiter in den Ressorts Gesellschaft/Medien und taz.de. Themenschwerpunkte: Antisemitismus, Islamismus, LGBT-Politik und Fankultur. Jahrgang 1993.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • In dem angekreideten Disput auf dem Fussballfeld war weder von Frauen noch von Bisexuellen die Rede, warum dichtet der Autor dann sowas noch dazu? Reicht nicht schon das Gesagte aus, es zu verdammen und zu kritisieren?

  • Es kommt immer auf die genauen Umstände an. Ich denke, dass unsere Gerichte in Deutschland meistens fair sind.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Wundert es uns noch, dass so was wieder nur aus Sachsen berichtet wird?

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Was dem einen der Muslim, ist dem anderen der Sachse?

  • @Age Krüger - Im juristischen Sinne kann eine Frage durchaus eine Beleidigung sein! Frag einen Anwalt:



    www.frag-einen-anw...rolle--f21005.html

    • @Frederik Andersen:

      Juristisch muss es sich objektiv wie subjektiv um eine Beleidigung handeln.

      Eine Frage kann auch eine Beleidigung sein, solange sie einen beleidigenden Inhalt hat.

      In Ihrem Beispiel hat die Frage das.

      Die Frage nach Schwulsein ist wie die Frage "Bist Du Jude?"

      Subjektiv mag es als Beleidigung gemeint sein.

      Objektiv ist Judesein oder Schwulsein nichts Negatives.

      Deshalb würde kein normales Gericht die Frage danach als Beleidigung werten.

      Wie und was Sportgerichte bewerten, davon habe ich keine Ahnung.

  • Inwiefern kann eine Frage denn eine Beleidigung sein?



    Man kann darauf antworten, aber die Frage nach meiner sexuellen Orientierung würde ich nicht als Beleidigung auffassen.



    Wenn da Normalität entstehen soll, dann kann man zurückfragen: Ja/Nein, Du (auch)?



    Ich halte das für sinnvoller, um auch im Sport da eine andere Umgangsform zu bekommen anstatt die Frage als Beleidigung anzusehen.

    • @Age Krüger:

      ich finde die Idee Klasse und wuedre zu gern das Gesicht des Typen sehen :D

    • @Age Krüger:

      Waren Sie schon mal beim Fußball in der 7. Liga?



      Da fragt keiner "Erzählen Sie mal. Sind Sie vielleicht schwul." Da herrscht pure Aggression und die oben genannten Worte überraschen überhaupt nicht. Wenn da einer mit dem vorgeschlagenen "Ja und Sie" antwortet, kommt der kaum noch vom Platz geschweige denn im nächsten Spiel wieder drauf.



      Jedem Menschen steht die Entscheidung darüber, wem gegenüber er sich erklärt und outet frei.



      Ihre Antwort zeugt von absoluter Unkenntnis der Szene.

      • @LPrwe:

        Ich habe früher Fußball gespielt bis zur A-Jugend sogar und kenne da einiges. Das ist lange her und aus irgendwelchen Gründen war in den siebzigern Homophobie kein Thema. Auf dem Platz ging es zwar hart zu, aber die Beleidungungen gingen eher ins Tierreich als auf die sexuelle Orientierung. Der Anteil an Spielern mit Migrationshintergrund war allerdings damals extrem niedrig. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Klima bei Spielen hat, kann ich hier nicht beurteilen. Nur ist Fußball eine Sache, bei der Nationalmannschaften und solcher Chauvinismus eine große Rolle spielen.



        Allerdings habe ich auch gehört, dass sich in den deutschen Unterligen ein Ton und eine Gewalt breit gemacht hat, die äußerst bedenklich ist.

        Persönlich habe ich die meisten Beleidigungen erfahren, seitdem ich als Konsequenz nicht nur aufgehört habe, aktiv Fußball zu spielen, sondern auch den deutschen Fußball insgesamt als inakzeptabel für ein liberales Klima zu betrachten und immer bei allen Turnieren Oranje-Fan bleibe.

        • @Age Krüger:

          Ihre Erfahrungen aus den 70er Jahren sind da offenbar überholt. Und nein, es liegt nicht nur oder hauptsächlich an den Spielern mit Migrationshintergrund wie Sie hier implizieren.



          Der Fußball ist durch und durch homophob. Grade auch, wenn die Homosexualität einzelner bekannt ist, wird gelästert und niedergemacht. Ihre Idee ist zwar ganz "niedlich" aber in keiner Weise praktikabel.

    • @Age Krüger:

      Sie haben den Artikel gelesen? Die "Frage" war rhetorisch und als Beleidigung gedacht.

      • @PPaul:

        Das funktioniert nur, wenn man Schwulsein als Beleidigung betrachtet.

        Die Zeiten dürften vorbei sein.

    • @Age Krüger:

      "Als ein RSL-Spieler während der Manndeckung einem Naunhof-Spieler nah kommt, wird dieser auf herabwürdigende Weise gefragt, ob er schwul sei und anschließend als „Schwuchtel“ und „Arschficker“ beleidigt. Der Rote Stern Leipzig berichtet diesgegenüber dem Online-PortalBelltower.Newsund reicht beim Sportgericht Beschwerde ein."

      Es geht wohl um den kompletten Kontext.

  • 9G
    94797 (Profil gelöscht)

    Wie sagte seinerzeit mal Wiglaf Droste in seiner unnachahmlichen Art:" Doof macht Sport".

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @94797 (Profil gelöscht):

      Schönes Zitat; ich befürchte nur, dass sich die Protagonisten der sächsischen Sportgerichtsbarkeit gar nicht so gerne als doof bezeichnen lassen würden.



      Die sind womöglich nicht doof, sondern tatsächlich schwulenfeindlich.



      Ich wäre beruhigter, könnte ich sie für doof halten.

      • 9G
        94797 (Profil gelöscht)
        @75064 (Profil gelöscht):

        Ich nicht.Doofheit kann brandgefährlich sein.



        Nachlesen kann man das bei Robert Musil " Über die Dummheit". Wenn mans nicht täglich spürt