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Kommentar Hauptsponsor Union BerlinAlle Illusionen im Keim erstickt

Ein Immobilienunternehmen wird Hauptsponsor von Union Berlin. Haben die Entscheider die stadtpolitischen Debatten der letzten Jahre verschlafen?

Unionfans mit Pyro: Feiern sie mit dem Aufstieg auch das Endstadium der Kommerzialisierung? Foto: dpa

Diskussionen über die Kommerzialisierung des Fußballs entlarven in Zeiten des hochkommerzialisierten Profifußballs meistens Naivität. Klar, es gibt extreme Beispiele wie etwa den Verein RB Leipzig. Die muss man nicht mögen. Aber wer glaubt, so ganz ohne Kommerz am rentablen Geschäft des Profifußballs teilnehmen zu können, der ist ein hoffnungsloser Romantiker. Der Kapitalismus kennt keine Ausnahmen, vor allem nicht beim Goldesel Fußball. Auch „linke“ Profivereine agieren deshalb nach dessen Regeln.

Man kann die zunehmende Warenförmigkeit des Fußballs wohl nicht verhindern, wenn man ganz oben mitspielen will. Aber man kann die Kommerzialisierung moderieren. Deshalb diskutierten Union-Fans, die nicht naiv sind, schon lange vor dem Aufstieg darüber, was die Erste Bundesliga für Verein und Fans bedeuten könnte. Man ist dem Markt schließlich nicht ganz ausgeliefert. Oder doch?

Dass jetzt inmitten der Berliner Debatten über Enteignungsvolksbegehren und Mietendeckel ausgerechnet Aroundtown SA, ein Immobilienunternehmen mit Sitz in Luxemburg, Hauptsponsor der Eisernen wird, stimmt zumindest skeptisch. Es handelt sich da nicht um irgendein Immobilienunternehmen. Laut einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung besitzt die Aroundtown-Tochter Grand City Properties (GCP) über 8.000 Wohnungen in Berlin. Auf der Liste der Mieterhöher steht das Unternehmen 2017 nur knapp hinter der Deutschen Wohnen auf Platz drei. Die Mieten seien in den letzten Jahren jährlich jeweils um mehr als 5 Prozent erhöht worden, heißt es in dem Bericht.

Vielleicht haben die Entscheidungsträger bei Union das ganze Mietenzeug der letzten Jahre einfach nicht mitbekommen. Vielleicht wollten sie das, was nicht zu verhindern ist, kurz und schmerzlos hinter sich bringen. Um alle Illusionen vor Bundesligastart im Keim zu ersticken. Traurig.

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5 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Damit hier die Haltung des "Es ist halt so" sich nicht wie Mehltau über Rosen ausbreitet, mal der dezente Hinweis: wo steht bitteschön geschrieben, dass ALLE Vereine nach den gleichen, einfallslosen Regeln agieren müssen, Ihr Erklärbären?

    Wer sich den Profi-Fussball genau anschaut, sieht bereits jetzt, wie ungleich - auf internationaler Ebene - das Finanzvolumen verteilt ist. Vereine wie Real Madrid (würg), Paris St. Germain oder Manchester City sind nichts weiter als gut geölte Geldmaschinen. Fragen nach Ethik und Moral sind da überflüssig: es gibt keine. Andere Vereine können mit denen nur sehr begrenzt mithalten.

    Auch national ist es kaum anders. Neben Bayern München, das faktisch für eine zunehmende Verödung des deutschen Profi-Fussballs sorgt und - in großem Abstand - Borussia Dortmund und RB Leipzig gibt es keine konkurrenzfähigen Vereine. Die Bundesliga ist eine 3-Klassen-Gesellschaft, deren Reiz für mich in den weniger beachteten Regionen der Tabelle liegt. Frankfurt, Hoffenheim, Bremen, Freiburg.

    Nachdem der SC Paderborn deutlich gemacht hat, was die Prioritäten von Sponsoren und Fans angeht, zieht Union Berlin nun nach.

    Business as usual. Armselig. Sie werden beide die Zeche zahlen müssen, wenn die Fans mangels Identifikation den Stadien fernbleiben.

    Letztlich geht es nicht um die Frage nach "besseren" Vereinen, sondern nach "anderen" Vereinen. Nach Vereinen, die - in den überschaubaren Grenzen - andere Paradigmen (LOWie, schweigen!) verfolgen.

    Meine Spannung hält sich in Grenzen. Und mein Oller würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sähe, was mit seiner heiß geliebten Union geschieht.

  • Wer im Profifußball dabei sein will, muss sich davon trennen, ein "besserer" Verein sein zu wollen. Ideale passen da nicht, sonst muss man sich langfristig darauf einstellen, dass man höchstens in der Regionalliga spielt. Das ist nicht schön, aber auch Union Berlin würde das nicht ändern, wenn man auf den Sponsor verzichten würde. Als "Sportkonsument" kann man sich dann nur überlegen, ob man den ganzen Profifußball-Zirkus unterstützen will oder nicht.

  • Sind wir mal ganz ehrlich: Es ist doch allen klar, dass eine Hauptstadt auf Weltniveau auch einen Preis fordert. Will Berlin also in einer Liga mit Paris, London, New York, Tokio spielen dann kann man eben nicht für 15,- pro qm wohnen. Ich finde, wir sollten auch mal dankbar sein, dass wir die letzten Jahrzehnte so günstig wohnen konnten. Dankbarkeit statt Wut und Hass.

    • 2G
      2830 (Profil gelöscht)
      @Chris S:

      Schön cool bleiben. Darüber, dass es Stamm- und Platzkarten zum 2.Liga-Preis eingeholt gibt, freuen sich die Union-Mitglieder. Über den Klassererhalt sicher auch. Es gibt keinen sauberen Profisport. Den Top-Sponsor mit weißer Weste och nicht. Alnatura&Co wären mir auch lieber, aber die scheinen andere Interessen zu haben. Bleiben Imageverbesserer wie z.B. Gasprom, RedBull oder andere Despoten. Wer das redliche Ziel hat dem Aufpolieren schmutziger Gesichter fernbleiben zu wollen, muss BrotUndSpiel-Veranstaltungen fern bleiben. Fußball ist kein Ponyhof. Nützt nur eisern bleiben.

    • 2G
      2830 (Profil gelöscht)
      @Chris S:

      Aus diesem Holz muss der Mensch erst geschnitzt werden. In der Regel will er, dass alles so bleibt wie immer, also konservativ – bezeichnet sich aber als links und selbstverständlich sozial. Dankbarkeit, welche schöne Vision, bekommste eher vom Hund oder Katze, daher auch unsere Tierliebe. Der Mensch fordert und fühlt sich benachteiligt, egal wo er herkommt.