Kommentar Hauptausschuss: Keiner muss faulenzen
Die Linke beschwert sich über das Arbeitsinstrument Hauptausschuss – der sei im Grundgesetz nicht vorgesehen. Wie deutsch ist das denn?
M anche können es kaum erwarten bis die große Koalition endlich mit der Arbeit anfängt. So schlimm scheint das Dasein als Mini-Opposition also gar nicht zu sein. Die Linke jedenfalls brennt schon darauf, die tollen Gesetzentwürfe der neuen Bundesregierung beraten zu können. Ständig beschwert sie sich, dass einen Monat nach Konstituierung des Bundestags noch keine Ausschüsse eingerichtet sind und die Abgeordneten untätig herumsitzen müssen.
Jetzt haben Union und SPD reagiert und wollen als Notlösung zumindest einen 40-köpfigen Hauptausschuss einrichten, in dem dringende Anträge, Gesetzentwürfe und Petitionen beraten werden können. Doch wieder ist es der Linken und anderen Kritikern nicht recht. Denn im Grundgesetz sei ein Hauptausschuss nicht erwähnt, heißt es, möglicherweise sei er also verfassungswidrig. Wie deutsch ist das denn? Soll alles verboten sein, was im Grundgesetz nicht explizit erwähnt ist?
Nach derzeitiger Planung geht es um eine Übergangslösung bis zum 19. Dezember. Dann sollen die Fachausschüsse eingerichtet werden – wenn die neue Regierung steht und aus dem Zuschnitt der Ministerien sich dann auch die Zahl und Zuständigkeit der Ausschüsse ergibt. Die drei Wochen wird die Linke wohl noch warten können.
Natürlich könnte man auch, wie die Linke vorschlug, jetzt schon die neun wichtigsten Ausschüsse einrichten und sie in drei Wochen dann teilweise neu zusammensetzen. Wenn man nichts besseres zu tun hat ...
Doch die Vorstellung, dass es in den nächsten drei Wochen furchtbar viel zu beraten gibt, ist seltsam. Die Gesetzgebung ruht ja nicht deshalb, weil der Bundestag keine Ausschüsse hat, sondern weil noch nicht sicher ist, welche Fraktionen in den nächsten vier Jahren die Regierungsmehrheit bilden. Solange die Regierung nicht steht, wird es aus diesem Lager keine Gesetzentwürfe geben.
Aber wenn den Links-Abgeordneten langweilig ist, während Union- und SPD-Abgeordnete ihre Koalition vorbereiten, müssen sie ja nicht faul herumsitzen. Sie können die Schwerpunkte ihrer Arbeit für die kommende Wahlperiode beraten, erste Gesetzentwürfe vorbereiten, diese mit Wissenschaftlern und Initiativen bespreche, die Öffentlichkeit informieren. Es gibt auch eine Politik jenseits der Ausschussberatung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen