Kommentar Hass-Postings im Netz: Ein spätes Erschrecken
Allein mit juristischen Mitteln ist der Hetze im Netz oft nicht beizukommen. Es gilt, zivilisatorische Standards zu verteidigen.
H asspostings im Netz sind keine Bagatelle. Es ist gut, dass darüber nun verstärkt gesprochen und dass endlich auch gehandelt wird. Denn aus der Geschichte wissen wir, wie schnell gewalttätige Sprache in reale Gewalt umschlagen kann. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der radikalisierten Rhetorik und Anschlägen auf Flüchtlingsheime und Moscheen.
Die Klage über die „Verrohung der Sprache“ kommt allerdings reichlich spät. Solange sich der Hass nur gegen Muslime und Flüchtlinge richtete, so scheint es, wurde er als Ausdruck der „Meinungsfreiheit“ in Kauf genommen.
Doch inzwischen werden auch Journalisten und Politiker attackiert. Seit bei Pegida-Demonstrationen Galgen für Politiker wie Angela Merkel und Sigmar Gabriel spazieren getragen wurden, die parlamentarische Demokratie und ihre Repräsentanten als Unrechtsregime denunziert und Journalisten pauschal als „Lügenpresse“ verunglimpft werden, ist das Erschrecken groß.
In vielen Bundesländern gibt es bereits die Möglichkeit, gegen Hasspostings einfach online Anzeige zu erstatten. Und mit ihren bundesweiten Razzien wegen Hasspostings demonstrierte die Polizei jetzt Stärke. Der Einsatz ist aber eher untypisch.
Denn Hasspostings im Netz stammen nicht nur aus einschlägigen rechtsradikalen Kreisen, sondern oft genug von gewöhnlichen Bürgern, die sich im Netz radikalisieren, weil dessen Anonymität die Hemmschwelle senkt.
Der Anführer von Pegida steht derzeit in Dresden vor Gericht, weil er Asylbewerber auf Facebook als „Dreckspack“ und „Viehzeug“ bezeichnet hat. Das hat mit „Tugendterror“ nichts zu tun, sondern damit, dass es zivilisatorische Standards zu verteidigen gilt. Doch allein mit juristischen Mitteln ist der Hetze im Netz oft nicht beizukommen. Die Propaganda, die auf rechten Blogs wie pi-news und Achse des Guten verbreitet wird, ist häufig nicht strafbar. Gefährlich ist sie aber trotzdem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“