piwik no script img

Kommentar Grüner RichtungsstreitSchlechte Vorzeichen

Kommentar von Martin Reeh

Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Grün? In der Koalitionsfrage spiegelt sich der innergrüne Streit über die Wirtschafts- und Steuerpolitik.

Für den Klimaschutz sind in der Partei alle. Strittig dagegen ist die Frage nach dem Koalitionspartner. Bild: reuters

Z wei Interviews mit führenden Grünen, eines in der Welt am Sonntag, eines im Tagesspiegel. Das eine mit Parteichefin Simone Peter, das andere mit Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Fast empfindet man Mitleid mit ihnen: Auch ein Jahr nach der unseligen Veggie-Day-Debatte kommt keines der Interviews ohne die Frage aus, ob die Grünen eine Verbotspartei sind – so, als würden andere Parteien nicht ebenso das Privatleben von Menschen reglementieren.

Eine andere Debatte, die die Grünen bis zur Wahl 2017 begleiten wird, haben sie sich selbst zuzuschreiben: die nach den Koalitionsoptionen. Peter (linker Flügel) plädiert durch die Blume für Rot-Rot-Grün, Göring-Eckardt (rechter Flügel) für Schwarz-Grün. Da niemand wissen kann, welche Schnittmengen sich mit der Linken in der Außenpolitik 2017 ergeben und mit der Union etwa bei der inneren Sicherheit, wären beide gut beraten, die Frage offenzulassen.

Aber weil sich in der Koalitionsfrage der innergrüne Richtungsstreit über die Wirtschafts- und Steuerpolitik spiegelt, können die Grünen von dem Thema nicht lassen. Die Schwarz-Grün-Befürworter plädieren für mehr Wirtschaftsnähe und weniger Umverteilung, die Rot-Rot-Grün-Fans für das Gegenteil. Im Vorteil ist dabei der Göring-Eckardt-Flügel: Je länger die Debatte über die Linkspartei als außenpolitisches Risiko befeuert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass weder SPD noch Grüne ein solches Risiko eingehen wollen.

Für die Grünen insgesamt aber sind dies keine guten Vorzeichen: Sollte Rot-Rot-Grün 2017 vom Tisch sein und nur noch Schwarz-Grün als Option bleibt, sinken die Chancen, in einer solchen Koalition allzu viel grünes Profil durchzusetzen. Zumal dann die diejenigen die Partei dominieren werden, die für Schwarz-Grün über Jahre einen Werbefeldzug gestartet haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • da kann man viel darüber reden, solange die SPD sich weiter an die CDU anbiedert, kann man es schlecht den Grünen vorwerfen dass rot-rot-grün nicht funktioniert. Wir werden 2017 vermutlich eine verlängerung der Großen Koalition erleben, da die SPD Russland nicht mehr leiden kann und der Ukrainekonflikt sicher morgen nicht vorbei ist. Die SPD ist das wahrlich größere Problem wenn es um RRG geht, wie seht ihr das?

  • Wenn die Grünen die Frage nach der Verbotspartei nicht loswerden, dann geschieht das völlig zu Recht. Sicher sind sie nicht die einzige Partei, die ins Leben der Menschen mit Vorschriften und Verboten eingreifen will.

     

    Aber das grüne Regelungsbedürfnis ist doch immer noch einzigartig. Keine Partei weiß so detailliert, wie "die Menschen" leben und sogar denken sollten, und ist so hemmungslos bereit, diese Vorstellung mit hoheitlicher Macht durchzusetzen. Zumindest für die Fundis unter den Grünen ist "Freiheit" ein eng in den Grenzen des eigenen Idelabilds von der Gesellschaft definierter Begriff: Was nicht grün ist, ist nicht gut, und was nicht gut ist, verdient auch nicht die hehre Bezeichnung "Freiheit". So eine "Nicht-Freiheit" zu verbieten, ist daher auch nicht repressiv...

     

    Solange weiten Teilen der Grünen dieser ideologische Zirkelschluss nicht klar ist (und die Initiativen der Monate nach der Wahl lassen wenig Hoffnung auf Besserung aufkommen) und sie der irrigen Vorstellung nachhängen, das offene, vielfältige (und eisern ökologische) Gesellschaftsbild, dass sie mit der Knute in der Hand durchsetzen wollen, mache sie zu einer liberalen Partei, muss die Frage nach der Verbotspartei gestellt werden. Immer wieder.

  • Die Grünen hab wirklich alle ihre Gründungsideale verraten. Allein der Gedanken, mit der CDU im Bund koalieren zu wollen ist absurd.

     

    Da die Linke die einzige Partei ist, wo ich mir sicher sein kann das keine Regierungsbildung mit der CDU bei rauskommt, werden diese wohl auf Jahre hinaus meine Stimme bekommen, selbst wenn ich nicht mit allen Forderungen und Positionen übereinstimme.

  • Schwarz-Grün?

     

    Man besichtige sich doch jeden Tag seit Koalitionsbeginn den absoluten Schwachsinn dieser Koalition.Grün = ein bisschen Müsli und Birkenstock und die CDU den Rest!!