Kommentar Grüne und Atomausstieg: Verweigerung bringt nichts

Die Grünen können mit ihrer Zustimmung zur stufenweisen Abschaltung der AKWs kaum etwas verlieren. Aber sie können einiges gewinnen.

Für Sprecher der Anti-Atom-Bewegung ist die Sache klar: Mit ihrem "Ja" zum Atomausstieg der Koalition verrät die Grünen-Spitze endgültig alle Ideale der Partei, sie macht die Grünen unglaubwürdig und zum Büttel eines schwarz-gelben Möchtegern-Ausstiegs.

Eine solche Sicht ist verständlich für Menschen, die teilweise seit Jahrzehnten auf der Straße gegen diese hochgefährliche Energie kämpfen. Doch der Leitantrag des Parteivorstands ist eben keine schlichte Bestätigung der hastig zusammengezimmerten, schwarz-gelben Energiewende, die Parteispitze hat ein differenziertes "Ja, aber" abgeliefert.

Es ist eine nüchterne und kühle Betrachtung dieses für die Grünen hochemotionalen Themas. Und aus jeder Zeile scheint das Bemühen durch, Schwarz-Gelb kein Gütesiegel zu verpassen, sondern Schwächen herauszuarbeiten. Diese Haltung ist konsequent. Denn weder taktisch noch inhaltlich könnten die Grünen mit einer Verweigerung gewinnen.

Die stufenweise Abschaltung der AKW kopiert 1:1 den Ausstieg von Rot-Grün, die Grünen würden gegen ihre eigene Idee votieren. Ein Schnellausstieg bis 2017 mag sinnvoll und technisch machbar sein - ist aber nicht durchsetzbar. Selbst wenn es 2013 für Rot-Grün reicht, würde die SPD die jetzt ausstehende Einigung nie revidieren.

Die Grünen können also mit ihrer Zustimmung zu diesem Teil des Gesetzespakets kaum etwas verlieren. Aber sie können einiges gewinnen. Folgt die Basis der Parteispitze, zementieren die Grünen eine weltweit einzigartige Entscheidung, sie stärken deren Unumkehrbarkeit, sie nehmen Kanzlerin Merkel in Haftung.

Gleichzeitig markierten sie Positionen auf Feldern, auf denen in Zukunft die Musik spielt: beim Ausbau neuer Energien und bei der Öffnung der Endlagerfrage. So schmerzhaft der Kompromiss wäre - er würde sich lohnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.