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Kommentar Grüne WahlkampfthemenSignal gegen Schwarz-Grün

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Mit ihrer Themensetzung schränken die Grünen ihre Optionen nach der Wahl deutlich ein – stärken aber zugleich die eigene Durchsetzungskraft.

Die Grünen: Hier bin ich Mensch, hier kann ich sein. Und mitentscheiden Bild: dpa

D as Brimborium, das die Grünen um ihre Mitgliederbefragung über zentrale Themen für Wahlkampf und Regierung veranstaltet haben, wirkt ein bisschen befremdlich. „Politisches Neuland betreten“, „mehr Beteiligung gewagt als je zuvor“ – mit solchen Superlativen preist die Parteispitze den Stimmzettel mit 58 Forderungen an.

Dass sich nur ein Viertel der Basis auch tatsächlich an der Befragung beteiligt hat, stört die Führung der selbst ernannten „Mitmachpartei“ dabei kaum in ihrer kollektiven Euphorie.

Jenseits dieser überzogenen Inszenierung sind die Ergebnisse aber durchaus interessant – und politisch relevant. Denn die Grünen-Mitglieder haben mit sicherem Gespür Projekte an die oberen Positionen ihrer Prioritätenliste gewählt, die eine Koalition mit der Union (oder gar mit der FDP) faktisch ausschließen.

Bild: taz
Malte Kreutzfeldt

ist Parlamentsredakteur der taz mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Umwelt. Er twittert unter @MKreutzfeldt.

100 Prozent erneuerbare Energie bis 2030 bedeuten eine Beschleunigung der Energiewende – und damit das Gegenteil der von der CDU angestrebten Verlangsamung. Die Absagen an Rüstungsexporte und Betreuungsgeld stehen ebenso im diametralen Gegensatz zur Union wie die unbedingte Forderung nach einem Mindestlohn und einer allgemeinen Bürgerversicherung.

Zwar hat die Parteispitze der Grünen ihre Abneigung gegen andere Koalitionen als das derzeit wenig wahrscheinliche Rot-Grün auch bisher schon deutlich zum Ausdruck gebracht. Und natürlich standen alle nun gewählten Forderungen auch vorher schon im Wahlprogramm der Grünen. Aber das Mitgliedervotum verleiht ihnen eine neue Qualität.

Das sind nun die Kernpunkte, bei denen die Partei, egal mit welchem Partner, in möglichen Koalitionsverhandlungen am härtesten bleiben muss, weil die Parteibasis ansonsten rebelliert. Das schränkt die Optionen der Grünen nach der Wahl deutlich ein – stärkt aber zugleich die eigene Durchsetzungskraft.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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6 Kommentare

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  • AJ
    Andy Jordan

    Schwarz-grün ist die Hselnuß

    Genau das Gegenteil des Kommentars wird eintreten. Zwar kann man sich im Wahlkampf linientreu verhalten, aber nach den Wahlen werden die Verhandlungsfüjhrer sagen können, dass sich andere Themen nicht verbieten, weil 75% der Mitglieder sich dazu nicht geäußert haben. Die 25% jetzt sind vergleichbar den Fundis der achtziger und neunziger, die gegen jede Machtoption waren. Von einem gewissen Herrn Fücks wurde bspw. die Bremer Grüne Liste 1983 als machtgeil und rechtsextrem gescholten, weil sie einen Regierungswechsel in Bremen ohne die SPD anstrebte.

    Diese alten Herren, die bald auf die 65 zugehen, haben jetzt ihre allerletzte Option auf Minter- und Staatssekretärsjobs. Und jeder Dummerjahn weiß, dass das mit Peer-Blödmann nicht reicht und mit der FDP nun wirklich zu Bauchkrämpfen führt, aber jeder in den Apparaten weiß auch, dass man tunlichst bis nach der Wahl die Klappe halten muss.

  • TL
    Tim Leuther

    Wie bitte?

    Die Grünen-Basis hat gerade für die ganzen unbezahlbaren Elite-Probleme gestimmt, die breite Massen der Bevölkerung verarmen werden.

     

    Nur gegen höhere Steuern hat die Partei der Manufactum-Besteller gestimmt.

     

    Hohe Preissteigerungen in den Gütern der breiten Massen, das ist das Kernprogramm der Grünen. Da können die den Lohn der kleinen Leute auch von 7 auf 10 Euro heben und den Hartz 4 Satz anheben. Für den kleinen Mann ist das nur im aller-aller-besten Fall ein Nullsummenspiel.

     

    Grün löst Probleme die man hat, wenn man keine Probleme hat.

  • I
    Ingo

    Leider wird es den Grünen nichts nützen, solange die SPD sich weigert eine Koalition mit der Linken einzugehen. Aber wer erwartet eigentlich noch etwas anderes als eine große Koalition?

  • D
    Detlev

    Vielleicht ist die Frage Rot-Grün oder Schwarz-Gelb im Herbst gar nicht mehr entscheidend: Wenn die SPD so schwach abschneidet, wie das jetzt bislang aussieht, dann könnte es an den Urnen die Überraschung geben und dann kommt es vielleicht zum großen Kartenmischen und zu ganz anderen Konstellationen. Wichtig für die Grünen ist, dass sie die SPD als abschreckendes Beispiel haben. Besser bei seinen klaren Kerninhalten bleiben, als die Seele zu verkaufen und anschließend nur noch mit Misstrauen und schlechten Ergebnissen zu kämpfen.

  • V
    vic

    Vorteil Erneuerbare, Ende der Waffenlieferungen, der Massentierhaltung.

    Gut so, wenn`s stimmt.

  • M
    mdarge

    Und trotzdem wird Schwarz-Grün kommen. Es wird zwar knapp werden, knapper als heute ersichtlich, doch für Steinbrück wird es nicht reichen. Die Entscheidung liegt also bei der Kanzlerin Merkel. Und die ist heiß auf diese ungewohnte Konstellation. Einst startete sie mit einem eher liberalen Kabinett. Dann musste sie immer mehr und immer konservativere Minister ins Amt holen. Zum Schluss machte sich Rösler zum Lautsprecher der Wirtschaft. Da die SPD heilige Schwüre leistet, niemals mit der Linken, muss sich Merkel entscheiden, ob Trittin nicht der bessere Partner ist. Die Grünen werden daran nahezu nichts ändern können, Fundamental-Opposition ist eben nicht jedermanns Sache. Das wird zu einer Transformation beider Parteien führen. Zum Glück ist Claudia Roth nur Parteichefin. Denn sie kennt nur aus Bayern die CSU. Und die steht in der Tradition von Strauss bis Friedrich ganz weit rechts. Der NSU-Prozess deckt hier Abgründe auf. Doch die Blüms, Geislers und Laumanns werden aufwachen und eine andere Partei präsentieren. Der Mitgliederentscheid steht weniger gegen solch eine Koalition, sondern gegen den Kurs der heutigen FDP. Die CDU ist erst einmal schwarz und nur widerwillig schwarz-gelb. Keine andere Regierung wird den Atomausstieg konsequenter voranbringen, auch Gorleben dürfte dann Geschichte sein. Die CDU denkt pragmatisch. Solange für die Allianz ein Geschäftsfeld bleibt, wird man sich auf eine Form von Bürgerversicherung einigen können. Ohne die SPD könnte sie sogar zum Erfolgsmodell werden.