Kommentar Griechenland: Übler Verschnitt
Angela Merkel sieht in Griechenland zarte Erfolgspflänzchen blühen. Gedüngt sind sie mit den Opfern ihrer Krisenpolitik.
Ich weiß, welch schwierige Zeit das Land durchmacht, aber die ersten zarten Pflänzchen des Erfolgs sind sichtbar“, lobte Angela Merkel den griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras bei dessen Berlinvisite.
Die „Pflänzchen“ kosten bislang 240 Milliarden Euro. Eine Menge Dünger für ein vages Versprechen, das womöglich kurz darauf von einem Hund totgekackt wird. Und es zählt ja nicht nur das Geld, sondern auch die „schmerzhaften Opfer“, an die die Kanzlerin immerhin die eine Sekunde lang denkt, die es dauert, die beiden Worte auszusprechen. Obwohl gar keine Deutsche unter den Opfern sind. Man müsste den Begriff Empathie in Angelathie umtaufen.
Wie teuer darf so ein Pflänzchen eigentlich sein, um seinen Erhalt zu rechtfertigen?
Die Kosten der deutschen Wiedervereinigung gingen sogar in die Billionen. Aber dafür bekam man „blühende Landschaften“ und nicht nur einen grünen Zwergtrieb. Im Fall Griechenland heißt die Frage nach der Preisgrenze offenbar: Wie viele Alte dürfen ins Meer gehen, wie viele Kranke unbehandelt verrecken, wie viele Buslinien stillgelegt und wie viele Fremde von Rechtsradikalen erschlagen werden, damit das zarte Pflänzchen eine Zukunft hat?
Nehmen wir zum Vergleich mal andere teure Pflanzen. So wechselte im Jahre 1636 die wertvollste Tulpenzwiebel aller Zeiten für 17.000 Gulden den Besitzer. Heute schwer vorstellbar bei einem Hurragemüse aus dem Discounter, das dem Botaniker längst als Ratte unter den Blumen gilt. Oder Safran. Der kostet mindestens 3.000 Euro pro Kilo, ist in dieser Preisklasse jedoch schon so gestreckt wie Heroin.
Da muss man sich fragen: Ist das überhaupt noch Griechenland, was sich hier selbst zu diesem Wucherpreis erwirbt? Oder sind, um im Bild zu bleiben, Kultur und Lebensart nicht bald bis zur Ungenießbarkeit verschnitten mit Not und Existenzangst wie ein Maronengericht mit Giftpilzen? Wem das keine Bauchschmerzen bereitet, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott