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Kommentar Grenze Mexiko-USAErlogener Verteidigungsfall

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die Verteidigung des Wohlstands gegen Arme wird auf Dauer nicht funktionieren. Abschottung ist keine Lösung, sondern eine Gefahr für uns alle.

Hier kein Durchgang? Ein Mann spricht mit dem US-Grenzschutz in Tijuana Foto: dpa

D ie Bilder aus der mexikanischen Stadt Tijuana sind dramatisch. 500 Menschen aus Zentralamerika, darunter viele Frauen mit kleinen Kindern, versuchen die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu überwinden, werden mit Tränengas zurückgedrängt und sollen nun in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Es ist das, was ein Staat macht, wird er tatsächlich von Kriminellen und Terroristen bedroht – so wie es US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf wieder und wieder behauptet hat. Nur dass nichts davon wahr ist.

Trotz der Hetzkampagnen Trumps und aller anderen Abschottungsbefürworter hat sich gezeigt: Menschen sind im Prinzip durchaus empathisch. Um sie dazu zu bringen, Migrant*innen als Bedrohung anzusehen, braucht es eine gewaltige Portion Lügen. Im Kern müssen zwei Behauptungen immer und immer wiederholt werden.

Erstens: Die Migrant*innen beziehungsweise ihre Herkunftsländer seien selbst schuld an jenen Katastrophen, die zu Flucht- oder Auswanderung führen. Jede Anerkennung einer Mitschuld – angesichts der Geschichte der US-Interventionen in ihrem zentralamerikanischen „Hinterhof“ mehr als offensichtlich – müsste die Übernahme von Verantwortung für die Flüchtenden bedeuten.

Zweite Behauptung: Wenn wir einige hereinlassen, kommen alle, und unsere Gesellschaften wären vollkommen überfordert, der soziale Friede wäre in Gefahr. Das ist zwar in fast jeder Hinsicht Unsinn. Aber die Argumentation bietet die Möglichkeit, Grenzen dichtzumachen und Tränengas auf Eltern und Kinder zu schießen, ohne sich allzu asozial zu fühlen.

Die Verteidigung des Wohlstands gegen die Armen kann nicht auf Dauer funktionieren. Bis sich das aber als Erkenntnis durchgesetzt hat, wird noch viel eingemauert, geschossen und ertrunken werden. Daran darf man sich nicht gewöhnen, denn das würde uns zu menschenfeindlichen Monstern machen, unfähig mitzufühlen. Und das gefährdet letztlich nicht nur die Migranten, sondern uns alle.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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11 Kommentare

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  • us-aussen-politik hält lateinamerika in der position als rohstoff- und dienstleistungslieferant ohne respekt oder partnerschaftliche beziehung.

    us-innen-politik hält die eigene bevölkerung genug unter druck, damit sich genug leute finden, die jobs machen, wo sie auf flüchtende mit herzloser gewalt reagieren müssen. das ist für viele die einzige chance, nicht obdachlos zu werden und den eigenen kindern krankenversicherung und ausbildung finanzieren zu können.

    und weil die korrupten parlamentshäuser diesem spiel zustimmen, ist alles legal und möge von niemandem kritisiert werden.

    doch! von allen! das ist ein menschenverachtendes vorgehen!

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Wo ist denn dieser Wohlstand , der immer wieder beschrieben wird?



    Sind in den USA alle Menschen wohlhabend? Sind sie es in der EU?

    Was hier immer wieder suggeriert wird, trifft auf sehr wenige zu, wohlstandsmäßig.

    Es ist nicht fair und entspricht nicht der Wahrheit solche einseitigen Infos zu verbreiten.

    Hier ein Beispiel aus unserer "Wohlstandsgesellschaft".



    www.saarbruecker-z...ecken_aid-33848805

  • "Mitschuld am Elend der Herkunftsländer" - stimmt

    "Wenn wir einige hereinlassen, kommen alle ... ist Unsinn" - stimmt nicht, die nahezu endlosen Flüchtlingstrecks in Richtung d hat man 2015 jeden Abend im Fernsehen gesehen. Es kommen zumindest so viele, dass es zu einer schweren Belastung wird.

    "Die Verteidigung des Wohlstands gegen die Armen kann nicht auf Dauer funktionieren."

    Das ist keine Erkenntnis sondern ein Postulat. Man kann auch umgekehrt formulieren: Wenn man den jetzigen Wohlstand behalten will, muss man ihn gegen die Armen verteidigen.

    Ich find es gibt durchaus eine Verpflichtung Wohlstand global umzuverteilen bzw. auf Wohlstand - z.B. wegen der Klimabelastung - zu verzichten. Wie das sinnvoll und effektiv funktioniert, darüber muss man aber erst einmal nachdenken und diskutieren.

    Dass die Verhältnisse in den Herkunftsländern durch geringe/erträgliche Migration wirklich nachhaltig besser werden, daran kann man Zweifel haben. Wenn wir z.B. jedes Jahr 100.000 Afghanen aufnehmen würden, würden die Verhältnisse dort angesichts des Bevölkerungszuwachses dort von knapp 1 Mio jährlich keinen Deut besser.

    Die gegenteilige Auffassung ist nicht belegbares naives Wunschdenken. Wir helfen den Afghanen nicht indem wir den Afghanen helfen.

  • Wer glaubt wir könnten einfach mal so weitermachen mit unseren smart homes und Alexas und A5s und Applebooks.. und der Rest der Welt bekommt das halt nicht!



    Det täuscht sich.



    Irgendwann kommen die und holen die sich das.



    Blöd auch für mich...ich werds wohl akzeptieren müssen.



    Oder vorher mal das Geld direkt denen zu Gute kommen lassen die es brauchen durch gezielte Infrastruktur anstatt in Zäune oder Gas oder Waffen. Wäre auch billjer!

  • Na Na, was will man uns da wieder nahebringen? Der Staat hat das Recht Gesetze zu machen und die Einhaltung zu überwachen. Und eine Selbstbedienung der Migranten an einem Staat darf es nicht geben!

    • @Gerdi Franke:

      Genau! Kriminelle mit Pass gehören eingebuchtet !elf! Kriminelle ohne Pass abgeschoben! Dafür wird vorher Kriminalisiert z.B. durch HartzIV, niedrige Renten etc. armgemacht (genauer: ausgeraubt) und dann für's "Schwarzfahren" eingebuchtet. Menschen ohne Pass wird einfach der Asylgrund nicht anerkannt, die legale Einreise verunmöglicht ("Drittstaatenregelung") usw. Leider ist das bittere Realität. Und Sie befürworten das auch noch und beschmutzen die Würde und Recht der Geflüchteten mit ihrem Vorwurf der "Selbstbedienung". Ihre "Moral" ist widerlich!

  • 9G
    91690 (Profil gelöscht)

    Und zum Erfinden von angeblicher Bedrohung gehören aber auch die , die das dann unreflektiert glauben....... Erst dann kann sich der Volkszorn gegen die bösen Migranten Bahn brechen ,die Sozialsysteme überlasten, alles " hinten rein " gestopft bekommen mit dem Resultat dass für die arme Ursprungsbevölkerung nicht mehr genug übrig bleibt ........ Man muss dann wohl von 300 Millionen uninformierter US Bürger ausgehen, die Trump glauben müssen weil es ja in den USA weder Internet noch Zeitungen gibt ,, analog zu Deutschland wo ja bekanntlich ja 80 Millionen Deutsche auf die News aus Facebook angewiesen sind weil es sonst ja nichts gibt



    ,, Bernie Sanders ist toll und seine Ideen super aber ich geh trotzdem nicht wählen weil wählen ist doof :-) !"

  • Naja, entweder hat man Gesetze und sichere Grenzen, oder man hat sie nicht. Was sollte die USA denn tun, statt geltendes Recht anzuwenden?

    • @Wellmann Juergen:

      Kapitalismus hinterfragen, und samt geltendem Recht an dessen Abschaffung arbeiten zum Beispiel?

  • Der Kapitalist und auch viele Wohlstandsbürger mögen nicht teilen und weiterer Ansturm - zu recht, hier geht ja nichts- ist leider Wasser auf die Mühlen der AfD. Das scheint mir, solange die Linke (nicht nur die Partei) kein Narrativ hat, welches den Bürger anspricht, eine verfahrene Situation. Da stellt sich aber auch die Frage, inwieweit die "bürgerliche" Presse, die ja zunehmend auf Werbegelder aus der Wirtschaft angewiesen ist, hier eine unrühmliche Rolle spielt. Es gibt also noch einiges zu tun.

  • "Die Verteidigung des Wohlstands gegen die Armen kann nicht auf Dauer funktionieren."

    Würde mal gerne sehen, wie die Migranten an das obere 1% rankommen...

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