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Kommentar Göring-EckardtDie Opportunistin hat gewonnen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Mit Katrin Göring-Eckardt entscheiden sich die Grünen für die Uneindeutigkeit. Das ist zwar Angela Merkels Erfolgsrezept, macht es aber nicht besser.

Dem Mainstream folgend: Katrin Göring-Eckardt. Bild: dpa

N un ist es also Katrin Göring-Eckardt geworden.

Die Grünen selbst beschwichtigten im Vorfeld der Kampfabstimmung ja gern, dass es im Grunde egal sei, ob die Reala Katrin Göring-Eckardt oder die Reala Kerstin Andreae neben dem Linker-Flügel-Mann Anton Hofreiter künftig die grüne Fraktion im Bundestag führen werde.

Doch ganz unabhängig davon, dass die Grünen eine kleine Fraktion in einer vermutlich schwachen Opposition sein werden, macht es schon einen Unterschied, welche der beiden Politikerinnen bald das Sagen haben wird im Parlament. Es ist der Unterschied zwischen klar formulierten Positionen und verschwiemelten Ansagen, zwischen Eindeutigkeit und Opportunismus.

Die Wirtschaftspolitikerin Andreae steht für mehr Kontakte zur Wirtschaft. Für die Energiewende müsse man die Unternehmen mit ins Boot holen, lautet ihr Mantra. Die Schwäbin weiß, wovon sie spricht. In ihrem Wahlkreis ist sie umgeben von den Größen der Wirtschaft: Bosch, Porsche, Hewlett-Packard. Die Wirtschaft braucht man, wenn man Hybridautos bauen und Gebäude ökologisch sanieren will. Bei ihr darf es jetzt auch Steuererhöhungen geben.

Wofür aber steht die Kirchenfrau Göring-Eckardt? Man weiß es nicht. Irgendwie fürs Soziale. Für die Kindergrundsicherung, auch für die Frauenquote und die Homo-Ehe. Aber ebenso für öffentlich gebackenen Kuchen, also für altbackene, betuliche Fürsorglichkeit. „Für Mut. Gegen Armut“ stand auf einem der Wahlplakate mit ihrem Konterfei.

Glühende Agenda-Verfechterin

Klingt gut, nicht wahr? Aber nur, wenn man vergisst, dass Göring-Eckardt einmal eine glühende Verfechterin der Agenda 2010 war. Später, als klar war, dass Hartz IV viele Probleme nicht lösen, dafür aber zahlreiche neue schaffen wird, hat sie sich flugs von ihrem Agenda-Engagement distanziert. Steuererhöhungen? Mal so, mal so.

Nun sind die Grünen eine Partei wie jede andere auch, Machtkämpfe hier, Taktieren dort. Trotzdem nervt es gewaltig, dass Spitzenpolitik heute vor allem uneindeutig, verschwommen und lavierend daherkommt. Dass man sich nur noch schlecht orientieren kann. Das ist das Erfolgsrezept Angela Merkels. Und das macht die grüne Kopie nicht besser.

Wo sind diejenigen, die für ihre Ansichten kämpfen? Die zu ihrem Wort stehen, auch wenn sich der Wind dreht?

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.