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Kommentar Gina-Lisa Lohfink vor GerichtNur eine von vielen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Der Fall Gina-Lisa Lohfink zeigt, wie überfällig eine Verschärfung des Sexualstrafrechts ist. Aber das macht sie nicht zu einer Vorkämpferin.

Ein Fall, der nachwirkt: Gina-Lisa Lohfink am Montag vor dem Gericht in Berlin Foto: dpa

D as war abzusehen: Der Prozess um Gina-Lisa Lohfink wird noch eine ganze Weile weitergehen, ein Urteil war am Montag schon vor Beginn der Verhandlung nicht zu erwarten. Doch das, was sich vor dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit abspielte, hat eine neue Dimension erreicht: DemonstrantInnen halten Transparente hoch, auf denen steht: „Du bist nicht allein.“ Eine Aktivistin der feministischen Gruppe Femen bekundet mit nacktem Oberkörper Solidarität mit dem Model Lohfink. Frauen rufen „Nein, nein, nein.“ (Lesen Sie hier eine Reportage vom Prozesstag)

Am Ende des Verhandlungstages wird sich Gina-Lisa Lohfink für die kämpferische Anteilnahme bedanken: „Ich bin überwältigt, dass ihr mir so helft.“ Schon wird die frühere Teilnehmerin von „Germanys next Topmodel“ von manchen als eine Art neuer Feministin gehandelt. Ist sie durch das, was ihr angetan wurde, und aufgrund des undurchsichtigen Prozesses tatsächlich zu einer Feministin geworden? Oder versteht sie es, die mediale Aufmerksamkeit professionell für sich zu nutzen?

In jedem Fall wirkt der Fall Lohfink nach. Nicht nur, weil die grandiose Welle der Solidarität verdeutlicht, dass Feministinnen ihre Geschlechtsgenossinnen nicht in gute und schlechte Frauen einteilen: Auch wer sich die Lippen aufspritzt, sich die Brust vergrößern lässt und in Pornos mitmacht, ist selbstverständlich genauso viel wert wie jede andere, die das nicht tut.

Nachwirken wird der Fall auch, weil es künftig solche Prozesse nicht mehr geben sollte: Im Sexualstrafrecht könnte es in Kürze den Passus „Nein heißt Nein“ geben. Das dementsprechend reformierte Gesetz soll in der nächsten Woche im Bundestag verabschiedet werden.

Ein jahrzehntelanger Kampf

Das ist allerdings nicht das Verdienst von Gina-Lisa Lohfink, auch wenn manche das jetzt gern so darstellen. Auch Lohfinks UnterstützerInnen haben nicht bewirkt, dass das „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht tatsächlich umgesetzt wird. So großartig die Woge der Zustimmung auch ist.

Lohfink und ihre UnterstützerInnen haben allenfalls verdeutlicht, wie überfällig die Verschärfung des Sexualstrafrechts ist. Die Stimmung im Land und in der Politik für ein „Nein heißt Nein“ im Strafrecht war noch nie so gut wie jetzt. Insofern darf damit gerechnet werden, dass der Bundestag am 7. Juli dem Gesetzentwurf aus dem Justizministerium mehrheitlich zustimmen wird.

Dafür haben Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, Juristinnen und engagierte Bundestagsabgeordnete jahrzehntelang gekämpft. Sie haben mit klugen Argumenten, mit Fallanalysen und mit belastbaren Zahlen immer wieder für eine Gesetzesverschärfung geworben.

Sie haben versucht, die Polizei zu sensibilisieren, den Blick der RichterInnen zu schärfen. Und dafür gesorgt, dass ausführliche Studien über häusliche Gewalt und Vergewaltigung durchgeführt werden. Sie haben die Politik vor sich her getrieben, nicht Gina-Lisa Lohfink.

Der reformierte Gesetzentwurf ist älter als die hitzige Debatte um den Lohfink-Prozess. Das ist auch gut so. Ein Einzelfall wie dieser eignet sich nicht, um das Strafrecht zu beurteilen und gegebenenfalls nachzubessern.

Ein Einzelfall ist ein Einzelfall ist ein Einzelfall, unabhängig davon, wie dramatisch er sich darstellt. Wichtig ist, dass mit dem Passus „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht ein Paradigmenwechsel erfolgt: dass Übergriffe gegen den erkennbaren Willen des Opfers künftig geahndet werden.

Dass das jetzt eine noch breitere Öffentlichkeit erfährt, ist möglicherweise dem Fall Gina-Lisa Lohfink zu verdanken.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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15 Kommentare

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  • Nur eine von vielen Fällen in denen die Täterin unterstützt und das Opfer doppelt gestraft wird. Die Dunkelziffer von Falschanzeigen wird auf über 50% geschätzt. Davon werden nur ein verschwindend kleiner Anteil verfolgt. In diesen wenigen Fällen werden dann auch noch die Opfer dadurch verhöhnt, dass die Täterinnen durch "Opfer"organisationen unterstützt werden.

    Parallelen zur Situation von vergewaltigten Frauen vor 50 Jahren scheinen nicht zufällig zu sein. Während früher die vergewaltigte Frau sich anhören musste, selber schuld gewesen zu sein, so muss dies heute der falschbezichtigte Mann.

    Gerechtigkeit heisst nicht, das Vorzeichen der Ungerechtigkeit umzudrehen. Leider scheinen das unsere Regierung und die taz nicht verstanden zu haben.

  • Deutlich wird mit den Demonstrationen vor allem, dass (manche) Feministinnen ihre Geschlechtsgenossinnen in nützliche und unnütze einteilen. Unnütz sind alle, die nicht klagen und also keinen Anlass bieten, gewisse Ansichten auf der Straße kundzugeben und von der Staatsmacht bestätigen zu lassen. Mit solchen Frauen wollen manche Frauenrechtlerinen dann doch lieber nichts zu tun haben.

     

    Schon klar. Solidarität ist ein knappes Gut und muss sparsam eingesetzt werden. Da, nämlich, wo sie kurzfristig den meisten Profit abwirft. Schließlich sind auch Frauen Teil dieser (Macho-)Gesellschaft und müssen nach den Regeln spielen, die mächtige Männer aufgestellt haben. :-((

    • @mowgli:

      Kennst du das Buch:

      „Pink Sari Revolution: A Tale of Women and Power in India“

      Manchmal kommts wohl schon auf die Masse an. :-)

  • Es wäre interessant zu wissen, ob die Verfasserin zu dem Fall mal Fischers Kolumne in der Zeit gelesen hat.

    • @Beinemann:

      Obwohl ich ein gewisses Störgefühl habe, wenn sich Richter publizistisch-journalistisch äußern: dem ist nichts hinzuzufügen!

      http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-06/rechtspolitik-sexualstrafrecht-vergewaltigung-taeter-opfer-fischer-im-recht

      • @Trango:

        Einen hab ich noch – er knackt die fünf Prozent Hürde von Verurteilten Sexualstraftätern bestimmt nicht.

      • @Trango:

        Vor allem nicht wenn du auf den Bundesgerichtshof in letzter Instanz angewiesen bist.

      • @Trango:

        Und noch eine Erkenntnis – werde nie zum Opfer!

      • @Trango:

        Also ganz ehrlich. Die einzige Erkenntnis die ich durch das lesen dieser Kolumne bekommen habe ist, wieder einmal, Intelligenz schützt vor Empathielosigkeit und/oder Egozentrismus nicht. Ein Könner im vertreten seiner Meinung. Fakten gibt es für alle Perspektiven, irgendwann zählt eben doch das persönliche Rechtsempfinden. Zur offensichtliche Feindseligkeit der verhandelnden Richterin, auf Grund derer schon zwei Befangenheitsanträge gestellt wurden, hat er wohl noch nicht sein Talent ausgepackt.

  • Eine von vielen? Also ich bezichtige niemanden eines Kapitalverbrechens nur weil mir das gerade so gut in den Kram passt.

     

    Vielleicht sollte die Authorin aufhören für die gesamte Weiblichkeit zu sprechen um Politik zu machen.

     

    Verbrechen müssen da bekämpft werden wo sie passieren - nicht da wo sie vergetäuscht werden.

  • Zwei Dinge: Frau Lohfink steht vor Gericht, weil ihr zur Last gelegt wird, die personifizierte Gegenargumentation zu einer Verschärfung des Sexualstrafrechts zu sein, nämlich ein angebliches Opfer, das seinen entgegenstehenden Willen und den resultierenden Vergewaltigungsvorwurf später erfindet und ihre Anschuldigungen dann auf einem "Nein" basiert, das sich in Wahrheit auf keine einzige der zahlreichen sexuellen Handlungen bezog, zu denen es wohl seinerzeit gekommen ist. Wird ihre diesbezügliche Schuld erwiesen, dürfte ihr Beitrag aus feministischer Sicht sogar als ausgesprochen kontraproduktiv gewertet werden. Es ist also gut möglich, dass einige ihrer begeisterten Unterstützerinnen sich mit der Überhöhung dieses Falles zum Politikum mächtig ins eigene Fleisch schneiden.

     

    Zum Zweiten ist "Nein heißt Nein" mitnichten die epochale Erweiterung der Strafbarkeit, zu der es immer hochgejubelt wird. Es wird lediglich einen kleinen Ausnahmebereich von Fällen zusätzlich abdecken, und zwar solche, in denen das Opfer nach der Äußerung seines Unwillens zur Duldung oder Durchführung sexueller Handlungen bewegt wird, ohne dass eine der zahlreichen Spielarten von Gewalt, der Drohung mit derselben bzw. des Missbrauch besonderer Machtkonstellationen im Spiel ist ODER umgekehrt ihr Verhalten als Aufgabe ihres Unwillens gedeutet werden könnte. Alles abseits dieses schmalen Streifens wird auch zukünftig straflos bleiben bzw. ist nach heutigem Recht schon strafbar. Sich Gedanken zu machen, wem die Lorbeeren dafür gebühren - insbesondere bevor die neuen Vorschriften im gesetz stehen, wirkt einwenig wie die voschnelle Zerteilung eines Tedybären-Fells.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Wie kann man eigentlich behaupten, dass ihr was angetan wurde? Weiß die Autorin mehr als das Gericht und die Leser oder war dabei? Oder ist die Aussage von Lohfink etwa deswegen über jeden Zweifel erhaben, weil sie eine Frau ist?

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    "Nachwirken wird der Fall auch, weil es künftig solche Prozesse nicht mehr geben sollte"

     

    Wieso das? Frau zeigt an, Mann bestreitet aufgrund von Einvernehmlichkeit. Und dann? Gibt es im Lande Schmollack dann keinen Prozess mehr? Traurigerweise befüttern solche Spinnereien gerade die Gemüter der Gegner dieser so begrüßenswerten Reform.

  • "Nein heißt Nein" hat seine Popularität daher, dass vor einem halben Jahr weiße Frauen von Nordafrikanern belästigt wurden. Solange der weiße Mann die weiße Frau missbraucht hat, war das alles nicht so wild. Ohne "Köln" wäre der Fall Lohfink doch vermutlich nur eine weitere Episode von "Mach die Bluse zu" und "pass auf dein Getränk auf".

    Mal abgesehen davon, dass die Probleme mit der Falschaussage bzw. der Beweislast auch mit dem neuen Gesetz nicht verschwinden - evtl. sogar größer werden.