Kommentar Gewalt gegen Kopten in Ägypten: Mubarak ohne Mubarak
Die Militärregierung unterbindet Kritik mit derselben Brutalität wie Mubarak. Auf das Militär gesetzt zu haben, ist einer hoher Preis, den die Revolutionäre jetzt zahlen.
Am Sonntag ist in Kairo der Traum vom Tahrir zerbrochen: dass ein Volk ein Regime, das jahrzehntelang geherrscht hat, in nur 18 Tagen stürzen kann.
Mindestens 26 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Demonstration war von jungen Kopten initiiert, aber an ihr nahmen Christen und Muslime teil. Sie richtete sich gegen das Militär, das seit Mubaraks Rücktritt mit zunehmender Härte herrscht.
Es war ebendieses Militär, das auf die Protestierenden schoss, mit gepanzerten Fahrzeugen Jagd auf sie machte und bezahlte Schläger durch die Straßen schickte. Das zeitgleich zwei TV-Sender und eine Tageszeitung stürmte, um deren Berichterstattung zu unterbinden, während das Staatsfernsehen mit harschen Worten gegen die Kopten hetzte und die Bürger aufrief, auf die Straße zu gehen, um "ihre Armee" zu verteidigen. Das ist keine neue Taktik: Auch Mubaraks Geheimdienste hatten Kirchen gesprengt, um das harte Durchgreifen, die Verschiebung von Wahlen oder die Verhaftung von Kritikern zu rechtfertigen.
JULIANE SCHUMACHER ist freie Autorin der taz und lebt in Berlin und Kairo.
Ägypten hat kein Problem mit religiösen Fanatikern, sondern mit einer Militärregierung, die Kritik mit derselben Brutalität unterbindet wie Mubarak - und dabei den Anschein aufrechterhalten will, das Land befinde sich auf dem Weg zu freien Wahlen und zur Demokratie. Doch während die großen muslimischen und liberalen Parteien um ihren Anteil an der Macht feilschen, ist auf der Straße nicht viel von der Aufbruchstimmung vom Tahrir geblieben.
Seit September gilt das Notstandsgesetz wieder, die Presse wird scharf zensiert, der Inlandsgeheimdienst arbeitet wieder, willkürliche Verhaftung, Folter und Einschüchterung von Kritikern sind an der Tagesordnung. Im Mai wollte kaum jemand von einer Militärdiktatur sprechen; heute wagt es niemand mehr.
Während sich die breite Masse der Bevölkerung frustriert oder verängstigt von allem zurückzieht, was mit Politik zu tun hat, kämpfen die Protestbewegung und die neu organisierten Arbeiter verzweifelt darum, sich ihre Revolution nicht aus der Hand nehmen zu lassen.
Sie zahlen einen hohen Preis dafür, auf das Militär gesetzt zu haben, um das Land in die Demokratie zu führen. Auf jenes Militär, das sich nun als der mächtigste Teil des alten Regimes herausstellt und seine Macht mit allen Mitteln verteidigt. Es wird nicht in 18 Tagen zu besiegen sein.
Kommentar Gewalt gegen Kopten in Ägypten: Mubarak ohne Mubarak
Die Militärregierung unterbindet Kritik mit derselben Brutalität wie Mubarak. Auf das Militär gesetzt zu haben, ist einer hoher Preis, den die Revolutionäre jetzt zahlen.
Am Sonntag ist in Kairo der Traum vom Tahrir zerbrochen: dass ein Volk ein Regime, das jahrzehntelang geherrscht hat, in nur 18 Tagen stürzen kann.
Mindestens 26 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Demonstration war von jungen Kopten initiiert, aber an ihr nahmen Christen und Muslime teil. Sie richtete sich gegen das Militär, das seit Mubaraks Rücktritt mit zunehmender Härte herrscht.
Es war ebendieses Militär, das auf die Protestierenden schoss, mit gepanzerten Fahrzeugen Jagd auf sie machte und bezahlte Schläger durch die Straßen schickte. Das zeitgleich zwei TV-Sender und eine Tageszeitung stürmte, um deren Berichterstattung zu unterbinden, während das Staatsfernsehen mit harschen Worten gegen die Kopten hetzte und die Bürger aufrief, auf die Straße zu gehen, um "ihre Armee" zu verteidigen. Das ist keine neue Taktik: Auch Mubaraks Geheimdienste hatten Kirchen gesprengt, um das harte Durchgreifen, die Verschiebung von Wahlen oder die Verhaftung von Kritikern zu rechtfertigen.
Die Autorin
JULIANE SCHUMACHER ist freie Autorin der taz und lebt in Berlin und Kairo.
Ägypten hat kein Problem mit religiösen Fanatikern, sondern mit einer Militärregierung, die Kritik mit derselben Brutalität unterbindet wie Mubarak - und dabei den Anschein aufrechterhalten will, das Land befinde sich auf dem Weg zu freien Wahlen und zur Demokratie. Doch während die großen muslimischen und liberalen Parteien um ihren Anteil an der Macht feilschen, ist auf der Straße nicht viel von der Aufbruchstimmung vom Tahrir geblieben.
Seit September gilt das Notstandsgesetz wieder, die Presse wird scharf zensiert, der Inlandsgeheimdienst arbeitet wieder, willkürliche Verhaftung, Folter und Einschüchterung von Kritikern sind an der Tagesordnung. Im Mai wollte kaum jemand von einer Militärdiktatur sprechen; heute wagt es niemand mehr.
Während sich die breite Masse der Bevölkerung frustriert oder verängstigt von allem zurückzieht, was mit Politik zu tun hat, kämpfen die Protestbewegung und die neu organisierten Arbeiter verzweifelt darum, sich ihre Revolution nicht aus der Hand nehmen zu lassen.
Sie zahlen einen hohen Preis dafür, auf das Militär gesetzt zu haben, um das Land in die Demokratie zu führen. Auf jenes Militär, das sich nun als der mächtigste Teil des alten Regimes herausstellt und seine Macht mit allen Mitteln verteidigt. Es wird nicht in 18 Tagen zu besiegen sein.
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Kommentar von
Juliane Schumacher
Autorin
Freie Journalistin. Schreibt zu Lateinamerika und der arabischen Welt, Ökologie und globaler Wirtschaft.
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