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Kommentar Gerangel um SPD-FührungNach der Achterbahnfahrt

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Andrea Nahles und Olaf Scholz sind das neue Machtzentrum der SPD. Ihre erste Woche war suboptimal. Aber es gibt Hoffnung.

Willy Brandt steht hinter der neuen Spitze Foto: reuters

D ass Machtkämpfe in Parteien rüde ausgetragen werden, ist ja nicht unbedingt neu. Helmut Kohl räumte Gegner mit einer Rücksichtslosigkeit beiseite, gegen die sich der SPD-Vorstand wie eine Amnesty-International-Basisgruppe ausnimmt. Und trotzdem – man ist noch immer wie betäubt von der Explosion, mit der sich Schulz und Gabriel ins Aus katapultiert haben.

Das hat zwei Gründe. Bei Union oder FDP nimmt man Intrigen eher mit einem Achselzucken hin. Bei der SPD, die auf Parteitagen „Wann wir schreiten Seit an Seit“ anstimmt, ist die Fallhöhe größer. Wer beseelt Solidarität verspricht, aber nur auf die eigene Karriere schaut, schlägt hart auf. Und: Auch unverschämte Karrieremanöver werden irgendwann verziehen. Schulz’ kläglicher Versuch, den Job des SPD-Chefs gegen den des Außenministers zu tauschen, fügt sich nun in die düstere Stimmung der SPD. Noch nicht mal das klappt.

Jetzt soll alles anders werden. Der wankelmütige Schulz, der erratische Gabriel: Geschichte. Jetzt regieren mit Andrea Nahles und Olaf Scholz professionelle Handwerker der Macht. So sehen sie sich selbst.

Hoffnung auf künftige Schwäche der CDU

Skeptisch stimmt allerdings, dass Nahles den politischen Amoklauf von Schulz nicht stoppte, sondern willig den ihr darin zugedachten Part als neue SPD-Chefin übernahm. Dass Nahles den Job auch sofort kommissarisch übernommen hätte, obwohl dies der Satzung widerspricht, flößt auch nicht eben Vertrauen ein. Ist es altmodisch zu erwarten, dass sich Chefs an die eigenen Regeln halten?

Auch die politischen Markierungen des neuen SPD-Machtzentrums klingen ernüchternd. Scholz will als Finanzminister eisern an Schäubles Schwarzer Null festhalten. Das nährt Zweifel, ob das Finanzministerium wirklich an die SPD gegangen ist. Nahles signalisiert, dass sie die Partei nicht nach links rücken wird. Es soll bleiben, wie es ist. Die Strategie der Nahles-SPD ist es, den Mittekurs beizubehalten und weiter frühere Fehler, vom Kooperationsverbot bis zu prekären Jobs, zu reparieren. Außerdem hofft man, irgendwann von Machtkämpfen der Post-Merkel-Union zu profitieren. Das ist aber keine Strategie – es ist der feuchte Traum der SPD seit zehn Jahren.

Maximal irritierend ist Scholz’ Bemerkung, dass die SPD wieder stärkste Partei werden will. Die SPD, die in Umfragen jäh abstürzt, sich widerwillig in die Regierung zwingt, deren Führung sich selbst abgeschossen hat?

Wer Olaf Scholz zuhört, bekommt Zweifel, ob das Finanzministerium wirklich an die SPD gegangen ist

Autosuggestion kann politisch wirksam sein. Oskar Lafontaine stampfte 2004 die Linkspartei aus dem Boden – einfach, weil er daran glaubte. Wünsche durch Willen in Wirklichkeit zu verwandeln, das kann ein mächtiges Schwert sein. Oder albernes Plastikspielzeug. Bei Scholz fragt man sich jedenfalls eher, in welcher Filterblase er so unterwegs ist. Für die SPD wäre es nach den emotionalen Ecstasy-Trips mit Martin Schulz heilsam, nüchtern zu bleiben. Keine Sprüche, keine haltlosen Versprechen. Das wäre professionell.

Danach hängt fast alles von Nahles ab. Falls die Basis die Groko durchwinkt, wird sich am 4. März lautlos die Macht verschieben. Sie wandert von der Partei in die Ministerien. Dort spielt fortan die Musik, die Fraktion gibt den Chor, die Partei das Publikum. So war es immer. Dass die SPD in der Großen Koalition sang- und klanglos unterging, dass sie so technokratisch verholzt wirkt, liegt auch daran, dass die Partei nur Anhängsel der Regierung ist.

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Das könnte anders werden. Gewöhnlich ist der SPD-Chef als Minister in die Kabinettsdisziplin eingewoben. Nun wird Nahles Fraktions- und Parteichefin. Das Modell ist nicht neu – auch Müntefering war schon mal beides. Und doch kann dies eine Chance sein. Sofern Nahles nicht im Hauptberuf Fraktionschefin sein will, die die Partei an die Kandare nimmt – sondern Parteichefin. Die Antwort, wofür eine Exarbeiterpartei im digitalen Kapitalismus nötig ist, wird nicht die Ministerialbürokratie geben, sondern, wenn überhaupt, die SPD.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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  • "Das nährt Zweifel, ob das Finanzministerium wirklich an die SPD gegangen ist."

    Ach, passt doch zur neoliberalen Post-Schröder-SPD. In diese fügt sich doch Scholz gut ein.

  • "Scholz will als Finanzminister eisern an Schäubles Schwarzer Null festhalten. Das nährt Zweifel, ob das Finanzministerium wirklich an die SPD gegangen ist."

    So sprachlos und unkritisch hat sich die SPD schon während der Finanzkrise gegenüber Schäuble verhalten. Nicht die Sozialdemokratisierung der CDU findet statt, sondern die Überanpassung der SPD an Mitte-Rechts. Scholz sollte Krisenrezepte sozialdemokratischer Vordenker wie Galbraith und Keynes studieren; Sven Giegold, Ulrike Herrmann und die a.t.t.a.c. - Leute hätten bestimmt auch ein paar Tipps.

  • Sehr geehrter Herr Reinecke, lesen Sie eigentlich Ihre eigene Zeitung? Falls ja, dann haben Sie den Kommentar von Herrn Butterwegge vom 12.02.2018 wahrscheinlich übersehen. Adernfalls kann ich mir einen so weltfremden Kommentar nicht erklären.

    Ernsthafter Journalismus sieht anders aus: Kein Wort zu zum Groko-Desaster, kein Wort zu Kevin Kühnert, der ja wirklich kein Messias der SPD ist, aber der noch Interesse an den Wählerinnen und Wählern hat - im Gegensatz zum Seeheimer Kreis und Johannes Kahrs, dessen Wortführer sie ja anscheinend geworden sind.

    Der Seeheimer Kreis hat PASOK in Griechenland als Vorbild. Gute Nacht!