Kommentar Gelbwesten in Frankreich: Macron-Regierung sinnt auf Revanche
Die Regierung droht mit harten Strafen für „professionelle Aufwiegler“ unter den Gelbwesten. Allein: Besonders wirksam wird das nicht sein.
N ach gewaltsamen Krawallen und Plünderungen bei Protesten der Gilets jaunes am vergangenen Samstag in Paris steht die Staatsführung unter scharfer Kritik. Die Polizei machte einen schwachen und vom Vorgehen der „black blocks“ überrumpelten Eindruck. Die Medien und vor allem die Opposition von rechts und links fragen: Wie konnten die Behörden nach all den monatelangen Demonstrationen der Gelbwesten überrascht sein. Schließlich war es bereits in der Vergangenheit regelmäßig zu harten Konfrontationen gekommen.
In Frankreich ist es logisch, dass in einer solchen Situation symbolisch Köpfe rollen. Der bisherige Polizeichef von Paris, Michel Delpuech, war für die Rolle des Sündenbocks die ideale Besetzung. Er war nämlich bereits wegen seiner Verwicklung in die Benalla-Affäre ins Zwielicht geraten. Die Konservativen hatten außerdem lautstark den Rücktritt von Innenminister Christophe Castaner gefordert. Dieser Ex-Sozialist aber ist ein zu wichtiger „Bauer“ auf dem politischen Schachbrett von Präsident Emmanuel Macron, um wegen ein paar eingeschlagenen Schaufenstern und einem in Brand gesteckten Luxus-Restaurant geopfert zu werden.
Die Staatsmacht wurde aber ein Mal mehr auf der Straße von den Gilets jaunes diskreditiert, ja lächerlich gemacht. Der Premierminister, Edouard Philippe, kündigte am Montagabend bei einem Fernsehinterview mit viel Brimborium an, jetzt würden harte Saiten aufgezogen. Die Regierung sinnt auf Revanche und droht mit harten Strafen für „professionelle Aufwiegler“, mit Demonstrationsverboten, weiträumigen Kontrollen und präventiven Sicherheitsmaßnahmen.
Nur ist all das weder neu, noch besonders wirksam. Schon bisher waren offiziell gewisse Quartiere der Hauptstadt für die Demonstranten gesperrt, seit Wochen gibt es Kontrollen und Durchsuchungen, das Parlament hat ein neue Sondergesetzgebung gegen die „Casseurs“ (gewaltsame Randalierer) verabschiedet, durch die das Demonstrationsrecht bereits im Stil eines Ausnahmezustands eingeschränkt wird. Das Problem bei all dem ist aber: Wenn die französische Staatsführung in ihrer Verzweiflung die harte Repression als ihre letzte Karte in der laufenden Kraftprobe betrachtet, beweist sie lediglich ihre politische Ohnmacht.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip