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Kommentar Geheimabsprachen in Ba-WüMit den Werkzeugen eines Profis

Benno Stieber
Kommentar von Benno Stieber

Kretschmann kennt sich aus im Mauscheln und gibt es offen zu. Doch er hat Misstrauen gesät, das seine jetzige Offenheit nicht zerstreuen kann.

Was hat er sich bei seiner Vereidigung wohl heimlich gedacht? Foto: dpa

Zu viel Weihrauch rußt den Heiligen“, sagt man in katholischen Gegenden. Im baden-württembergischen Wahlkampf konnte es noch kürzlich nicht zuviel Weihrauch sein. Winfried Kretschmann präsentierte sich als bürgernaher Meister Eder, der Politik zur Stilfrage erhob. Wer nicht bei drei auf dem Baum war, bekam von ihm ein Hannah-Arendt-Zitat mit auf den Weg.

Jetzt wurde bekannt, dass die grün-schwarze Koalition geheime Nebenabsprachen getroffen hat. Seit gestern ist das Dokument öffentlich lesbar. Inhaltlich findet sich darin wenig Empörendes. Eher ist es ein schlampig zusammengeklopfter Ehevertrag zwischen Partnern, die sich nicht recht über den Weg trauen. Das soll Streit unter den Koalitionspartnern vermeiden. Aber diese Intransparenz ist der Lichtgestalt Kretschmann jetzt auf die Füße gefallen.

Es ist an der Zeit, den derzeit beliebtesten Politiker Deutschlands als den zu sehen, der er ist: Ein erfolgreicher, aber auch mit allen Wassern gewaschener Politprofi. Einer, der die üblichen Werkzeuge auspackt, wenn es darum geht, eine Koalition aus widerstrebenden Partnern zu zimmern.

Er habe schon immer gemauschelt, sagt Kretschmann nun entwaffnend offen. Als Gründungsmitglied der Grünen wisse er: Ohne ein Minimum an Taktik müsse man in der Politik scheitern. Beides stimmt vermutlich. Aber als „Politiker des Gehörtwerdens“ könnte er auch wissen: Milliardenschwere geheime Regierungsabsprachen sorgen, selbst wenn sie nicht ohne das Parlament verabschiedet werden können, für Misstrauen. Sie passen weder zum (Selbst-)Bild der Grünen noch zu einem Ministerpräsidenten, der Vertrauen als „knappste Ressource der Politik“ bezeichnet.

Der ertappte Katholik Kretschmann versprach jetzt reuig, er werde es bestimmt nicht wieder tun. Darauf sollte man sich nicht verlassen. Denn auch für den grünen Regierungschef ist Politik im Zweifel keine Stil-, sondern eine Machtfrage.

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Benno Stieber
taz-Korrespondent BaWü
Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.
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17 Kommentare

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  • Toll!

    Mißtrauen säen mit den Werkzeugen eines Profis.

  • Da wird der politische Weltuntergang von der taz beschworen. Hauptsache Kretschmann-Bashing! Zielsetzungen/Prioritäten und deren evtl. Umsetzung können in einer Regierungskoalition in Nebenabsprachen festgehalten werden. Zu den vereinbarten Einmal-Ausgaben zählen Garantiesummen für Digitalisierung (325 Millionen Euro), Wohnraumförderung (250 Millionen Euro) oder eine bessere Ausstattung der Polizei (100 Millionen Euro). Dauerhafte Mehrkosten entstehen durch den neuen Kinderbildungspass (84 Millionen Euro pro Jahr) oder 1500 zusätzliche Polizeistellen (65 Millionen Euro pro Jahr). Die schriftlichen Nebenabreden zum grün-schwarzen Koalitionsvertrag sind als ein internes Arbeitsdokument der grün-schwarzen Koalition zu verstehen. Wo dies nötig ist, konkretisieren sie das, was im Koalitionsvertrag dargelegt ist. Sie schaffen Vertrauen und Verlässlichkeit zwischen den Koalitionspartner, weil sie verhindern, dass später unterschiedliche Interpretationen und damit mögliche Konflikte entstehen. Die BW-Landesregierung hat zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass es solche Nebenabreden gibt, um einige im Vertragstext formulierte Ziele zu konkretisieren beziehungsweise deren Umsetzung zu erleichtern. Es geht nicht um politische Geheimniskrämerei, sondern um eine zusätzliche Absicherung des Vereinbarten.

    I

    • @Walter Gleichmann:

      kurz - Sie sann auch kein in der Wolle gefärbter Demokrat &

      Das Parlament ist Ihnen letztlich eine

      CarlSchmittsche Quasselbude - &

      Den Souverän - den Bürger -

      Geht das Ganze ehe einen feuchten Kehricht an! Gell!

      Dient alles der Sicherheit & dem

      Schlaf des deutschen Michels!;()

      FrozenThomas hat es ja unlängst -

      "Anderes könnte die Bevölkerung verunsichern!" - klassisch formuliert!

      Na Mahlzeit!

    • @Walter Gleichmann:

      Es ging ja schon direkt nach der Wahl 2011 los: Was wurde da alles an neuen Pöstchen geschaffen, was wurden da Leute gefeuert in den Ministerien, um den grünen Parteifreunden Platz zu machen.

  • Kretschmann wird für die Grünen ein Sargnagel sein, genau wie Schröder und Müntefering mit ihrer Agenda2010 für die SPD. Bei den Sozialdemokraten macht Gabriel gerade den Deckel zu, und bei den Grünen wird sich auch jemand dafür finden, vielleicht Kretsche in Personalunion, spätestens als Vizekanzler bei schwarzgrün....

  • Kleiner Tipp für den ertappten katholiken: "Mauscheln" steht für sprechen in der Sprache des Moses, sprich hebräisch, und hat in dieser Verwendungsweise als "etwas geheimes tun" eine antisemitische Konnotation.

    • 1G
      12294 (Profil gelöscht)
      @Toni@:

      Jetzt ergibt auch das Bild zum Artikel einen Sinn!

    • @Toni@:

      ..... es gibt Menschen, die würden anderen auch beim essen einer Banane Antisemitismus unterstellen können.

      Get a life.

      • @F. Tee:

        Jürgen Habermas hat schon 1969 in "Protestbewegung und Hochschulreform" darauf hingewiesen, ass "Mauscheln" einen antisemitischen Ursprung hat.

      • @F. Tee:

        Wenn TONI auf die antisemitische Genesung des Begriffs "mauscheln" hinweist, wird er kaum der Person absichtlichen Antisemitismus unterstellen. Es gibt einige antisemitische Sprachtraditionen, von denen wir uns besser trennen sollten - das ist auch nicht anders als "Negerkuss" oder "dämlich".

  • Na Servus!

     

    K-Gruppen - Schrägschisser &

    Katole - d.h. aus dem anderen Stall -

    Der Alleinsseligmachenden -

    Was soll da - doppelt genäht hält besser -

    Anders rausschauen - als ein Kretschi¿! &

    Als Schlagobers - auch noch Persetter! &

    kurz - diese Sorte beichtet alles - was eh bekannt ist - &

    So what! & Dess is völlig belanglos!

    Absolution¿ - erklären sie sich selbst!

    So geht das!

    • @Lowandorder:

      & nochens - ein Weggefährte meint -

       

      "Was hat er sich bei seiner Vereidigung wohl heimlich gedacht?"

       

      "Es grüßt Euch segnend noch immer die Hand

      des Kretschi von Kretschmann im Schwabenland."

       

      Ave!

       

      (Und ist`s mal zu Ende und scheidet er ab:

      Fegt ihn zu "Birne" mit ins Grab.)

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Endlich kann man ihn so richtig und aus dem tief politischen Vollen hassen.

         

        Zu Birne ins Grab? Der Alte sitzt doch immer noch im Rolli!

        • @571 (Profil gelöscht):

          Hassen¿() - wieso denn ditte?!

           

          Schon mal was von Verachtung gehört?!

          & Doppelgräber im voraus - ¿!

          Haben eine lange Tradition;)

           

          (schön aber auch - 's gibt noch welche -

          Die nicht nur mehr als ein Haar in dieser dünnen GrünschwarzSuppe finden -

          Sondern immer noch scheints 'n gutes!

  • Ich finde es komplett inakzeptabel, dass die taz in ihren Überschriften antisemitische Begriffe wie "Mauscheln" verwendet. Mausche ist die westjiddische Form des Vornamens Moshe (Mose). Moses Mendelssohn wurde von seiner Mutter "Mausche" gerufen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @rero:

      " ... komplett inakzeptabel, dass die taz in ihren Überschriften antisemitische Begriffe wie "Mauscheln" verwendet."

       

      Regen Sie sich wieder ab. Mauscheln gehört in der Politik zum Handwerk.

  • Da wächst ganz einfach zusammen, was zusammen gehört:

     

    Im nächsten Jahr wird die SPD beachtliche Klimmzüge machen müssen, um weiterhin statt der Grünen Juniorpartner spielen zu dürfen. Das Gedränge an den Berliner Futternäpfen nimmt inzwischen ja beängstigende Ausmaße an.