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Kommentar Gedenken an Jitzhak RabinVom Frieden redet kaum noch wer

Kommentar von Susanne Knaul

Jitzhak Rabin kämpfte für die Zwei-Staaten-Lösung. Beim Gedenken an seine Ermordung interessiert das kaum noch jemanden.

Unter den Teilnehmer_innen gibt es Kritik an der aktuellen Politik (hier wird Netanjahu als „Feigling“ bezeichnet), auf der Bühne nicht. Foto: dpa

M indestens zwei Leute, die am Samstagabend in Tel Aviv während der Gedenkveranstaltung für den vor 20 Jahren ermordeten Regierungschef Jitzhak Rabin zu der Menge sprachen, wussten nicht genau, worum es ging. US-Präsident Barack Obama und sein Vorgänger im Weißen Haus, Bill Clinton, konzentrierten ihre Reden auf den Friedensprozess mit den Palästinensern, der einst mit Rabin und mit PLO-Chef Jassir Arafat begann. Die Gedenkveranstaltung galt indes keineswegs Rabins politischem Erbe. Stattdessen lautete die Mission: landesinnerer Frieden und Demokratie.

Die beiden Amerikaner und Jonathan Ben-Artzi, ein Enkel des ermordeten Regierungschefs, fanden allenfalls bei den Linken ein offenes Ohr. Bei denen also, die sich schon vor 20 Jahren im Namen des Friedens versammelten und die jetzt zusammenrücken müssen, um Platz zu machen, für Leute, die anders denken. 20 Jahre nach Rabins Tod spricht nur noch eine Minderheit über den Frieden.

Nicht Rabins Weggefährte Schimon Peres, der als eigentlicher Architekt der Osloer Prinzipienerklärung gilt, durfte ans Rednerpult, sondern sein Nachfolger Reuven Rivlin. Mehr als jeder andere war der amtierende Staatspräsident für die Rede prädestiniert. Von Beginn seiner Amtszeit an predigt Rivlin das friedliche Miteinander der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im Land. Dass Rivlin auch der erste israelische Politiker war, der offen die Zweistaatenlösung ausschloss, spielte keine Rolle.

Sogar eine israelische Siedlerin durfte ans Rednerpult, weil ihr Sohn vor wenigen Monaten bei einem Terroranschlag ums Leben kam. Eine Zweistaatenlösung, die sie selbst und ihre Familie zum Umzug nach Israel zwingen würde, lehnt die bedauernswerte Mutter ab. Ein kleines, aber jüdisches Israel, das Seite an Seite mit Palästina in Frieden existieren würde, schwebte Rabin vor, aber das interessiert heute niemanden mehr.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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8 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ein Großer ist gestorben und hier wie üblich Gift und Galle über Israel.

  • dieses als "Bantustan- Lösung" bekannte Modell ist das höchste was sich israel. Politiker unter einem unabhängigen Palästina vorstellen, ein Archipel von ummauerten Reservaten, und es bedürfte schon länger keiner expliziten Worte mehr, die vollendeten Tatsachen in Gestalt der Siedlungen überall in der Westbank, die Ausbeutung aller Ressourcen zum Nutzen Israels, sind unmissverständlich. Meine Prognose, und ich bin bestimmt niemand der zu Alarmismus neigt, wenn Israel nicht rechtzeitig eine 180° Wendung in seiner Politik findet, wird es wenn nicht morgen, dann in 5, 10, oder 20 Jahren zu einer Katastrophe kommen, Bürgerkrieg wie jetzt in Syrien nicht ausgeschlossen, die internationale Gemeinschaft sollte sich so langsam überlegen ob sie nicht noch rechtzeitig etwas dagegen unternehmen kann. Israel und den Palästinensern zuliebe. Auch Südafrika ist übrigens nicht freiwillig oder aus plötzlich vom Himmel gefallener Einsicht in die moralische Unhaltbarkeit ihres Regimes zur Aufgabe der Apartheit gekommen, nur äußerer Druck hat dies möglich gemacht. Vielleicht sind es ja tatsächlich Traumata die in beiden Fällen, bei den Juden der Holocaust bei den Buren der Burenkrieg, und das Gefühl eine in ihrer Existenz bedrohte Minderheit in einer feindlichen Umgebung zu sein, die sie an diesen Zuständen festhalten ließen und lassen, getrieben, gefangen zu sein; die internationale Gemeinschaft sollte hier Wege finden Einfluss zu nehmen, diese Ängste zu beseitigen. Allerdings fällt es mir wieder schwer an derartige Theorien zu glauben, wenn ich Figuren wie Netanjahu, Bennett etc sehe, die für mich puren Zynismus und Gewalt verkörpern. besonders ungeschminkt, ja psychopathisch, sind hier die Aussagen Bennetts, die aber auch nur wieder Worte vieler seiner Parteigänger und Wähler spiegeln.

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Es ist systemisch und beschreibt das Extrakt der Gesellschaften: Sobald einer ernsthafte Schritte unternimmt, das Leid zu beenden, und zu befürchten steht, dass er sogar Erfolg damit haben könnte, wird dieser ermordet. Jitzhak Rabin, Dr. Martin Luther King, Mahatma Ghandi, … übrig blieb der Erfolg der Schwatzenden. Und das Leid.

  • Wen wunderts?! Rabin wurde schließlich von einem Rechtsradikaler mit direkten Verbindung zu Netanjahus Partei und Mossad ermordert, ober wie man es im heutigen Israel ausdruckt: "beseitigt"!

    Die Faschisten haben immer solche Begriffe parat - aber die Geschichte hat gezeigt, dass die Faschisten am Ende die Verlierer waren und hinterließen oft nur eine Ruinelandschaft eher sie selbst beseitigt wurden.

    • @mo papsin:

      Verstehe ich das richtig: Netanjahus Partei (die Regierungspartei Israels) und der Mossad haben Rabin "beseitigt" und können Faschisten genannt werden?

      • @Jürgen Matoni:

        das haben Sie richtig verstanden.

        der likud kann eine faschistische partei genannt werden - oder wie sonst wollen Sie eine partei nennen, deren gründungsvater im geiste sich für den faschismus begeisterte und von ihm inspirieren ließ?

        zur 'verwicklung' des shin bet lesen Sie http://www.nytimes.com/1999/04/26/world/ex-undercover-agent-charged-as-a-link-in-rabin-killing.html

        danach darf schon der verdacht geäußert werden, der shin bet habe mitgeschossen - also "herausgenommen", wie das in Israel heute ganz offiziell heißt.

        • @christine rölke-sommer:

          Soso,

          dann kann man die Linkspartei also ach kommunistisch nennen.

           

          Sind die 20 % in Israel lebenden Araber dann eigentlcih total bescheuert freiwillig in so einem faschistischen Land leben zu wollen?

          Wieso wandern Sie dann nicht in die vielen herrlichen Alternativen für deokratische Bürger in der Region aus?

          • @margret rohren:

            ganz einfach: palästinenser innerhalb der green line haben die bedeutung von grund+boden für den zionistischen staat begriffen. also bleiben sie auf dem wenigen an grund+boden, das man ihnen gelassen hat. und kämpfen für gleiche bürgerliche und WSK-rechte für alle in Israel.

            was sollte daran bescheuert sein?