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Kommentar FrauenfußballLästige Sehgewohnheiten

Stefan Mahlke
Kommentar von Stefan Mahlke

Europas Frauenfußball bewegt sich auf hohem Niveau. Zwar bleibt er langsamer als der Männerfußball – aber wer sich darauf einlässt, kann viel entdecken.

Ungoldener Goldregen: Ein schönes Turnier ist zu Ende Bild: dpa

W as für eine Mannschaft! Gerannt, gekämpft, zwei Elfmeter gehalten, ein Kontertor geschossen: Die Frauen der deutschen Fußballnationalmannschaft haben die Fußballeuropameisterschaft gewonnen. Und sie haben schönen Fußball gespielt, rechtzeitig im Halbfinale und im Endspiel.

Ähnlich wie Joachim Löw den Männern hat Silvia Neid ihren Frauen eine Philosophie des offensiven Spiels vermittelt. Ganz auf der Höhe der Zeit, versuchen die DFB-Kickerinnen durch frühes Attackieren schnell an den Ball zu kommen und mit präzisem, direktem Passspiel zum Abschluss zu kommen.

Am elegantesten bei dieser EM spielten aber die Französinnen. Leider scheiterte der Topfavorit im Viertelfinale an einer Mauertaktik Dänemarks und an der eigenen Abschlussschwäche. Auch Italien und Spanien pflegen einen technisch anspruchsvollen Kombinationsfußball, waren aber athletisch unterlegen. Der schwedische Offensivfußball begeisterte, bis die Gastgeberinnen im Halbfinale gegen die Deutschen ausschieden.

Tröstlich für die schwedischen wie die französischen Fußballerinnen könnte sein, dass mit den deutschen Frauen bei der EM immerhin die Idee des schönen Spiels gesiegt hat – über einen eher defensiv ausgerichteten Kampffußball, wie ihn die Norwegerinnen bevorzugen, auch wenn sie im Finale munter mitspielten.

Bei der WM in zwei Jahren wird sich zeigen, ob der Abstand zur absoluten Weltspitze, zu den Topteams der USA und Japans kleiner geworden ist. Der zum Männerfußball ist es nicht. Die athletischen Voraussetzungen sind zu ungleich und der Grad der Professionalisierung ist immer noch um ein Vielfaches höher.

Gleichwohl ist Frauenfußball kein anderer Sport, auch hier muss das Runde in das Eckige. Aber wenn man sich als Fernsehzuschauer auf ein anderes Tempo und technisches Niveau eingroovt, kann man auch hier Welten erkennen zwischen Spitzenfußball à la Frankreich, Deutschland und Schweden und der arg limitierten Kickerei der Isländerinnen, Finninnen oder Russinnen.

Um die Sehgewohnheit anzupassen, braucht es allerdings ein paar Spiele. Und hier tut uns das Fernsehen keinen Gefallen, wenn es selbst in der Sommerpause allerorten Männerfußball ins Programm drückt. Geradezu blamiert hat sich das ZDF, als es zum Halbfinale zwischen Schweden und Deutschland erst unmittelbar vor Anpfiff umschaltete – von einem belanglosen Sommerkick zwischen Bayern München und dem FC Barcelona. Fußball auf Topniveau boten uns dann die Frauen.

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Stefan Mahlke
Stefan Mahlke ist Germanist und Historiker und verantwortlicher Redakteur des "Atlas der Globalisierung" von Le Monde diplomatique, der von der taz herausgegeben wird.
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16 Kommentare

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  • U
    UHKL

    Ich schau mir Frauenfußball auch gern an, und zwar bevorzugt auf Eurosport, wo die Kommentatoren wirklich Ahnung haben, von was und von wem sie da reden.

     

    Die Alibiübertragungen bei den ÖR umgehe ich mittlerweile weitgehend, ebenso wie das nur noch perverse Kommerzspektakel des Männerfußballs.

     

    Die Damen machen ehrliche Arbeit und das ist für mich mehr Sport als jede Wahl zum Fußballer des Jahres.

     

    Glückwunsch an die DFB-Damen, mit einer besseren U23 Europameister geworden, das verdient Anerkennung!

  • Ich schaue mir Frauenfussball gerne an — wenn es kein Abklatsch der Männerkategorie „Rumpelfussball“ (Beispiel: Völler-Ära) ist.

     

     

     

    Der internationale Frauen-Spitzenfussball war mindestens in den Jahren 2003 bis 2007 sehr sehenswert. Die aktuelle EM war es nur bedingt, das Niveau ist schlechter geworden. Insbesondere trifft das auf das deutsche Team zu: Ja, es wurde „gerannt, gekämpft“ — vielfach war aber kein geordnetes Aufbauspiel zu erkennen, manche Spielabschnitte verdienten das Prädikat „Fehlpassfestival“. Kurz: Im Gegensatz zu damals war es meist grauenvoller Rumpelfussball. Auch die Kommentare der Spielerinnen und der Trainerin waren so flach, dass sie den männlichen Kickern in nichts nachstehen.

     

     

     

    Abgesehen davon, dass es mir schleierhaft ist, wie man die Leistung der deutschen Mannschaft hochjubeln kann — sie wird dem Ansehen des Frauenfussballs in unserem Land nicht helfen.

     

     

     

    Die fussballerisch besseren Mannschaften haben verloren. Da ist man beim Männerfussball dann doch irgendwie weiter, wenn man den rumpligen Vizeweltmeistertitel in Japan in schlechter Erinnerung behält, den mit begeisterndem Fussball erreichten dritten Platz von 2006 aber als höherwertig einschätzt.

     

     

     

    Fussballmädels, wenn ihr spielerisch noch weiter absteigen wollt, dann verpflichtet doch Voigts oder Völler als Trainer.

     

     

     

    -fj

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Fußball und Sport ist zu wichtig, um damit die öffentlich-rechtlichen Kanäle zu verstopfen. Wer das gucken soll dafür auch zahlen.

  • TV
    Thomas V.

    Ich kann die ganze Aufregung hier gar nicht verstehen. Ich habe alle möglichen Spiele der Frauen EM im TV verfolgt und habe mich köstlich unterhalten gefühlt.

     

    Es war doch wirklich alles dabei: hochgelobte deutsche Mannschaft ( Frauschaft?), wichtige Spielerinnen sind verletzt und fallen aus, junge Talente fahren mit, enttäuschende Ergebnisse in der Vorrunde. Dann sogar eine Niederlage nach gefühlten 93 Jahren und Rufe nach Absetzung der Trainerin. Die deutschen Frauen reißen sich zusammen und wachsen über sich hinaus. Zuletzt der Gewinn des Titels durch eine geschlossene Mannschaftsleistung. Und danach eine sympathische Feier richtig erleichterter und abgekämpfter Mädels.

     

    Es war alles dabei, was ein gutes Turnier ausmacht. Und vieles, was Männerturniere oft ausmacht, habe ich hier nie vermisst: z.b. Das Gerangel der Vereine um die Superstars, die auf einmal vom Hinterhofkicker zum Millionen-Star aufsteigen. Hier bei den Frauen viele Statements der Solidarität mit den Verletzten und Daheimgebliebenen. Und echte Freude ...

     

     

     

    Außerdem kotzt mich das mittlerweile wirklich an, dass Fussball nur noch am Bayern München bzw. FC Barcelona gemessen wird. Ich kann diese Millionentruppen bald nicht mehr sehen. Ich sag mal provokativ: Frauenfußball ist für mich näher am echten Sport als Männer-Geld-Gekicke.

  • EL
    Ernst Lehmann

    "Um die Sehgewohnheit anzupassen, braucht es allerdings ein paar Spiele". Dieser Satz ist so offensichtlich politisch korrekt, dass er schon wieder frauenfeindlich ist.

     

    Frauenfussball ist eben ... anders.

  • B
    Berliner

    Die Damen und Herren der öffentlich-lächer... ähh -rechtlichen Anstalten können durchaus das ihre dazu beitragen, dass der Fußball der Frauen mehr in die öffentlichkeit kommt: Einfach mal die Bundesliga durchgehend live übertragen... und nicht nur das eine oder andere Rosienchen. Es muss ja nicht die ARD selbst sein, aber die "Dritten" könnten das durchaus leisten.

     

    Immerhin macht sich der DFB seid einigen Spielzeiten die Mühe jeweils ein, manchmal zwei Spiele via Internetstream auf der eigenen Seite live zu zeigen.

  • Vornweg: Ich habe mir auch diesmal wieder einige Spiele angeschaut (die Uninteressiertesten in meinem Umfeld sind lustigerweise übrigens Frau und Töchter - die eine hatte noch am Abend vorher mit mir BVB gegen Bayern gesehen, war am EM-Finale aber vollkommen desinteressiert, trotz diverser Versuche … ;-). Was das Gejammer über den angeblich so unfairen Vergleich mit dem Männerfußball angeht: Vielleicht sollten sich da die Medien an die eigene Nase fassen – schon bei der WM 2011 gab es ein Propagandadauerfeuer, wie toll, wie hochklassig, wie technisch anspruchsvoller, schöner, eleganter, kultivierter, intelligenter usw. usw. der Frauenfußball sei. Ähnlich jetzt wieder. Der einzige Unterschied: d„Athletik“ und „Professionalisierung“ - im progessiven Weltbild sowieso negative Aspekte: plumpe Kraft und Geld, typisch Männer eben ;-)

     

     

     

    Diese permanente Berieselung seinerzeit vor der WM hat ja vielleicht dazu geführt, dass das Frauenteam es selbst schon geschluckt hatte: Ich meine mich zu erinnern, das es vor der WM ein Vorbereitungsspiel gegen irgendeine (männliche) Amateur-Auswahl gab, das für die Frauen ziemlich desaströs ausging.

     

     

     

    Mag frau also den Vergleich mit den Männern nicht, was Leistung und Niveau angeht, sollte man auch dieses ganze apologetische Genderdauergerede und: das Vergleichen einfach mal sein lassen - damit tun die Prediger dem Frauenfußball auch nicht wirklich einen Gefallen, da Erwartungen geweckt werden, die so einfach nicht zu erfüllen sind. Ein Grund, warum nach der WM der Frauenfußball hierzulande erst mal in ein Loch gefallen ist. Lasst ihn doch einfach sein was er ist: zwar immer noch eine Nischensportart, aber doch eine, die sich gewaltig entwickelt hat. Immerhin 20.000 Euro pro Nase statt eines Kaffeservices wie in den alten DFB-Apparatschiktagen, ein schöner Empfang in Frankfurt, das ist doch schon eine Menge. Davon können hunderte anderer Sportarten nur träumen, egal, ob Frauen oder Männer.

  • M
    Michael

    Frauenmannschaft - laufen da eure GenderbeauftragtInnen nicht Amok?

  • A
    Ah-ja

    Diese Vergleicherei zwischen dem Fußballspiel von Frauen/Männern nervt mich unendlich. Mit schöner Regelmäßigkeit wird damit der Männer-Fußball zum Maß aller Dinge erklärt. Und daran wird dann die "Existenzberechtigung" des Frauen-Fußballs festgemacht.

     

    Warum nur ist es so wichtig, dass die Frauen genauso spielen wie die Männer? Warum kann nicht einfach anerkannt werden, dass eine sportliche Leistung erbracht wird?

     

    Ich empfinde dieses Vorgehen respektlos und ignorant gegenüber den Akteurinnen. Gelegentlich entsteht bei mir der Eindruck, dass dieses Abwerten des Frauen-Fußballs auch gern der Selbst-Aufwertung der jeweiligen Kommentierenden dient.

     

    Und die Ignoranz wird bedauerlicherweise medial mitgetragen. Da ist es schwer, Sehgewohnheiten zu ändern. Zu Beginn der EM war auf der Seite der ARD zu lesen, dass Viertel-/Halbfinale und Endspiel der EM von ARD/ZDF nur bei deutscher Beteiligung übertragen werden. Na das hätte 2010 bestimmt einen tollen Aufschrei gegeben, wenn das Finalspiel der Männer-WM mangels deutscher Beteiligung nicht übertragen worden wäre.

    • U
      uber
      @Ah-ja:

      der Männerfussball, liebe/r AH-JA, IST nunmal das Maß aller Dinge.

  • Wieso kommt eigentlich kein Kommentar zu einem Frauenfußballspiel ohne Hinweis auf den Männerfußball aus? Weil er sonst nicht gelesen werden würde! Als wenn es nicht genug Sportarten gebe die ein Randdasein fristen und diese Randdasein ist auch gar nicht problematisch, geht es dann doch wenigstens noch um den Sprt und nicht um Kommerz, Kohle, Fernsehrechte und Boulevard. Die Jusovorsitzenden aller Bundesländer verteilen Glückwünsche über Twitter und der Frauenfußball verkommt zum ideologischen Schlachtfeld für einen konstruierten Geschlechterkampf.

  • Laber nicht rum!

     

     

     

    Frauenfußball ist in etwa so konsumierbar wie eine Horde männlicher Synchronschwimmer, rhythmische Sportgymnasten oder ein schales Bier - es dröhnt, aber es knallt nicht!

  • H
    Horst

    "Bayern München und dem FC Barcelona. Fußball auf Topniveau boten uns dann die Frauen." - Liebe taz, bitte in Zukunft nur RedakteurInnen über Sport schreiben lassen, die auch was von Sport verstehen.

  • L
    Loddar

    Das ist fast schon Propaganda. Ständig bekommt man von den Massenmedien vorgebetet, wie gut der Frauenfußball mittlerweile doch sei. Jetzt mit dem fantastischen Argument, man müsse halt die Sehgewohnheiten umstellen.

     

     

     

    Also ehrlich: die mangelnde Athletik und Spielgeschwindigkeit nervt schon sehr, aber das wäre allein noch verzeihlich, weil physisch bedingt. Passungenauigkeiten, fehlende Kreativität und banale Taktiken sind aber so nicht entschuldbar.

     

     

     

    Ich habe mal - als eher mittelmäßiger Freizeitkicker Mitte Dreißig - mit einer Fußballerin aus der zweiten Bundesliga zusammen gekickt. Ich war ihr als eher kleiner Mann (1,73) nicht körperlich überlegen. Sie war zwar deutlich besser als alle Frauen, mit denen ich je zusammen gespielt habe, aber nicht besser als ich.

     

     

     

    Das sagt doch schon alles. Wenn ich mir Fußball im Fernsehen anschaue, dann will ich etwas sehen, was ich selbst nicht beherrsche, ein Spektakel. Das wird hier aber nicht geboten. Dauert wohl noch geraume Zeit...

  • W
    wardawas

    Nicht, dass man FCB gegen FCB gezeigt hat, um dann zumindest die Übertragung (der normalerweise spannenderen Endphase) abzubrechen und so den langweiligen Anstoß zu zeigen, war das Problem - ich war schon davon positiv überrascht - für mich das größte Problem war, dass man die Spiele großteils gar nicht gezeigt hat: So konnte man sich auf das Event nicht "eingrooven", sondern hatte ab und zu mal ein paar Spiele der Deutschen im Programm. Die meisten davon habe ich deshalb schlicht verpasst (so auch das Endspiel), weil ich's eben einfach nicht aufm Schirm hatte, bzw auf dem Schirm hatte, dass man so ein Endspiel dann auch zur Primetime spielt und nicht kurz vor der Tatort-Wiederholung. So hab ich die Glotze angemacht, auf ARD geschaltet und musste prompt in der Tagesschau sehen, dass das Spiel nicht etwa gleich anfängt, sondern längst vorbei ist.

     

     

     

    Andere Spiele musste ich mangels technischer Reichweite Eurosports über irgendwelche miesen Livestreams aus fragwürdiger Quelle verfolgen.

     

     

     

    Wenn sich Eurosport die Rechte leisten kann, sollte die ARD dazu auch in der Lage sein - selbst wenn sie dann einige Spiele nur auf Digitalsendern zeigt - wenn man die nicht empfängt, gibt's immerhin noch eine Reihe legaler Streams dieser Sender...

     

     

     

    Ich jedenfalls schau mir ganz gern Frauenfußball an - und das nicht bloß, weil die Spielerinnen schöner anzuschauen sind: Es ist einfach nicht so ein gnadenloses Milliardengeschäft, in dem Uli Hoeneß mit Schweizer Schwarzgeld-Millionen Spiel um Spiel verschiebt, um sicher zu stellen, dass sein Verein am Ende oben steht.

     

     

     

     

     

    PS: Eure tolle neue Seite funzt in Chromium nicht, obwohl ich sogar kurzzeitig Javascript erlaubt habe: Ich krieg kein Captcha!

  • R
    Realist

    "wenn man sich als Fernsehzuschauer auf ein anderes Tempo und technisches Niveau eingroovt" vs. "Fußball auf Topniveau boten uns dann die Frauen" oder auch Realität vs. Wunschdenken