Kommentar Frankreichs Burkiniverbot: Stellvertreterkrieg am Strand
Juristisch ist Klarheit fürs erste hergestellt – politisch aber noch nichts ausgestanden. Der Populismus ohne klares Ziel schlägt weiter um sich.
D as oberste Verwaltungsgericht hat mit seinem Grundsatzentscheid gegen die Burkini-Verbote an französischen Stränden im Eilverfahren die notwendige Klarheit geschaffen. Diese Rechtsbelehrung für dreißig meist rechtsgerichtete Bürgermeister war dringend notwendig.
Mit den kommunalen Verboten, die sich de facto gegen alles richtete, was in der Öffentlichkeit irgendwie als Burkini, Burka, Schleier oder sonstige islamisch-islamistische Provokation interpretiert werden konnte, drohte eine Willkür in erster Linie gegen eine Handvoll Frauen und in zweiter gegen die Muslime in Frankreich.
Es war schon schlimm, genug, wie sich gewisse renommierte Badeorte an der Côte d’Azur, die sonst königliche Familien aus Saudiarabien mit offenen Armen empfangen, unter dem Druck fremdenfeindlicher Kreise mit ihren Verboten lächerlich gemacht haben. Hinzu kam, dass es sich um ein Scheinproblem handelt. Manche Bürgermeister schienen aber wirklich zu meinen, sie seien ihren Bürgern nach den terroristischen Attentaten ein solches besonders entschlossen wirkendes Vorgehen irgendwie schuldig. So aber werden Feindbilder gemacht.
Mit ihrer Repression richten sie sich gegen die Falschen. Diese sollen stellvertretend den Kopf herhalten für einen unsichtbaren und unfassbaren Feind. Mit diesem Vorgehen handeln sich diese lokalen Antiterroristen, wenn nicht neue Feinde, so doch viel Verbitterung bei diesen Frauen ein, die da ungeprüft und vorschnell wegen ein wenig zu viel Stoff neben halbnackten Leibern am Strand mit islamistischen Fanatikern in denselben Topf geworfen werden.
Das Schlimmste an dieser Geschichte, die eigentlich in die Rubrik der sommerlichen Sauregurkenzeit gehört hätte, ist die schockierende Uneinsichtigkeit der betroffenen Lokalpolitiker und ihrer Parteien. Sie fordern jetzt statt kommunaler Verbote ein landesweites Gesetz, das zur Verbannung aller islamischen Symbole noch weiter geht als die Jagd auf ein paar Burkinis. Diese Badekleider werden für den Front National von Marine Le Pen und die Republikaner von Nicolas Sarkozy so zum bloßen Anlass für eine billige Wahlpolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutsche Migrationspolitik
Wegsperren, wegschicken
Nach dem Fall der Brandmauer
Wut und Verzweiflung vor dem Konrad-Adenauer-Haus
Antrag gegen Migration im Bundestag
Über die Merzgrenze
Lichtblicke bei Migrations-Abstimmung
Erfrischend stabil
Merkel zur CDU-Kooperation mit AfD
Merkel rügt Merz
Antrag auf AfD-Verbot
Die Zivilgesellschaft macht Druck