Kommentar Flüchtlinge in Schule: Politische Lehrstunde in Kreuzberg
Die Polizei stellt dem Bezirk ein Ultimatum, das ihm keine Wahl lässt. Die Probleme der Flüchtlinge auf dem Dach sind damit noch lange nicht gelöst.
F rank Henkel kann sich einen entspannten Fußballabend gönnen. Das desaströse Krisenmanagement der Kreuzberger Bezirksregierung lässt ihn in einer bequemen Win-win-Situation zurück.
Das Ultimatum der Polizeiführung an die Bürgermeisterin Monika Herrmann schiebt die gesamte Verantwortung für die Situation in der besetzten Schule an den Bezirk. Würde der um die Räumung bitten, wäre nicht nur der politische Suizid der Grünen in Kreuzberg vollendet, es wären, wie Herrmann ganz richtig erkennt, Menschenleben in Gefahr.
So hat sie keine andere Wahl und kann nur wiederholen, dass der Bezirk keine Räumung wünsche. Henkel hat die Bürgermeisterin perfekt an die Wand gespielt. Alle nachfolgenden Probleme im Kiez, werden ganz allein ihr zugeschoben werden, und sollte es ernster werden, steht es dem Innensenator als Chef der Polizei natürlich frei trotzdem einzugreifen, die Situation zu retten gewissermaßen.
Das alles hilft den Flüchtlingen aber nur bedingt. Die politische Zukunft einer grünen Politikerin kann ihnen herzlich egal sein. Sicher, die Aufhebung des Sperrgebietes würde eine unglaubliche Entlastung für diese Menschen sein, die seit einer Woche unter widrigsten Bedingungen ausharren.
Unerfüllte Forderungen
Ihre Kernforderung, die Einhaltung bereits gemachter Zusagen und ein Aufenthaltsrecht nach Paragraf 23 liegen aber immer noch in weiter Ferne. Denn auch hier hat der Innensenator, als Dienstherr der Ausländerbehörde, die Hand drauf. Dass er ein Einsehen haben könnte, ist praktisch ausgeschlossen. Wenn Henkel das Dilemma der Monika Herrmann schon genießt: Das Schicksal der Flüchtlinge ist ihm schlicht gleichgültig.
Darin liegt auch die Stärke seiner Position. Ohne den Ballast von Moral und Menschlichkeit lässt sich die politische Mechanik eben recht unaufgeregt bedienen. In diesem Kiez erreicht die CDU ohnehin grade mal die 5-Prozent-Hürde, Anwohnerproteste brauchen sie also nicht scheren. Die Kernwählerschaft der Partei im Rest der Stadt hingegen wird den Umgang mit den Flüchtlingen wohl eher als resolut und angemessen empfinden.
Viel schlimmer trifft es eben Monika Herrmann, deren Grüne 2009 hier von über 40 Prozent der WählerInnen das Vertrauen erhielten. Nicht Henkel, sondern genau dieses Milieu hat seiner Bürgermeisterin heute auch das tatsächliche Schachmatt gezeigt, als rund 50 AnwohnerInnen nach einer Versammlung unter freiem Himmel die Einlasskontrolle zur Ohlauer Straße einfach ignorierten, die Absperrungen überstiegen und in der Sperrzone, ihrem Zuhause, eine Spontandemo abhielten.
Ihre Solidarität mit den Flüchtlingen und der empörte Protest gegen den Belagerungszustand in Kreuzberg ist genau die Art von Politik, die Menschlichkeit zeigt. Sie ist ein würdiger Gruß auf das Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule. Auf solche Formen öffentlicher Meinungsäußerungen müssten die Grünen eigentlich stolz sein. Zumindest lernen könnten, sollten sie davon. Von Frank Henkel braucht man das nicht zu erwarten, schließlich fühlt er sich wohl als Gewinner des Tages – über Monika Herrmann und en passant auch über die Flüchtlinge in der Ohlauer Straße.
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