Kommentar Flüchtlinge in Libyen: Europas Doppelmoral in Afrika
Der Horror in Libyens Internierungslagern ist bekannt. Ruanda bietet an, internierte Flüchtlinge aufzunehmen. Auch weil Europa untätig bleibt.
J eder kennt die himmelschreienden Zustände in den Lagern und Gefängnissen, wo libysche Warlords, Banditen, Mafiabosse und Behördenvertreter afrikanische Flüchtlinge festhalten: Zu Hunderten im eigenen Kot zusammengepfercht; ohne Wasser und Nahrung; erpresst, gefoltert und vergewaltigt; und eben auch als Sklaven verkauft.
Internationale Organisationen haben es dokumentiert, UN-Stellen haben sich empört, Journalisten, Diplomaten und Menschenrechtsbeobachter beklagen regelmäßig diese Stätten des Horrors, die man eigentlich Konzentrationslager nennen müsste.
Wenn Europa seine angeblich europäischen Werte ernst nehmen würde, könnte es da nicht untätig bleiben. Wer Ausbildung für libysche Sicherheitskräfte und Ausrüstung für Libyens Küstenwache auf die Beine stellen kann, der müsste auch in der Lage sein, diese Menschen aus ihrem Elend herauszuholen, in dem sie schließlich nur deswegen stecken, weil Europa sie nicht legal einreisen lässt.
Aber Europa tut nichts, sondern freut sich, wenn aufgrund seiner Abschottungspolitik die Zahl der Boat People auf dem Mittelmeer zurückgeht, obwohl dadurch die Zahl der Festsitzenden in Libyen weiter steigt.
Nun wagt Ruanda einen Vorstoß und bietet an, 30.000 Internierungsopfer aus Libyen aufzunehmen. Die Afrikanische Union ist begeistert. Es wäre einfach, das Angebot als Propaganda abzutun, aber dafür sitzt die Erregung in Afrika über die Zustände in Libyen mittlerweile viel zu tief.
Ruanda hat vor 23 Jahren erlebt, wie die Welt untätig blieb, als aufgehetzte Milizen und Soldaten eine Million Menschen abschlachteten, weil sie Tutsi waren. Weiße wurden damals von europäischen Eingreiftruppen gerettet, Schwarze dem Tod überlassen. Würde Europa in den libyschen Horrorlagern untätig bleiben, wenn dort Weiße säßen statt Schwarze?
Europas Doppelmoral in Afrika wird vorgeführt. Hoffentlich bewirkt es etwas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich