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Kommentar Flüchtlinge in IdomeniÖsterreich trägt die Verantwortung

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

An der Grenze zu Mazedonien droht eine Eskalation. Anstatt eine europäische Lösung zu unterstützen, hat Wien auf Populismus gesetzt.

Flüchtlinge versuchten am Montag, auf alternativen Wegen nach Mazedonien zu gelangen. Foto: dpa

D ie fatale Politik der Grenzschließung könnte in Idomeni zu einer Eskalation führen. Nicht auszudenken, was passiert wenn Polizisten die Nerven verlieren und schießen sollten. Dafür trüge vor allem Wien die Verantwortung.

Anstatt eine europäische Lösung zu unterstützen, hat man in Wien auf rechten Populismus gesetzt. Dass jetzt österreichische Politiker Bundeskanzlerin Angela Merkel anflehen, sie solle erklären, dass die Flüchtlinge keine Aussicht hätten, in Europa aufgenommen zu werden, zeigt ihre Nervosität.

Der EU-Gipfel muss jetzt entscheiden, dass die in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge tatsächlich auf alle Staaten der EU verteilt werden. Nur so kann Dampf aus dem Kessel genommen werden. Die Folgen der dramatischen Zuspitzung an der Grenze sind noch gar nicht abzusehen.

Haben all jene doch recht, die meinten, das Schließen der Grenzen nütze gar nichts, die Flüchtlinge würden dann doch Wege finden, um nach Europa zu gelangen? Ausgerechnet das Nicht-EU-Land Mazedonien ist seit der Grenzschließung für alle jene, die keine weiteren Flüchtlinge in die EU aufnehmen wollen, zum Bollwerk geworden.

Verzweifelter Grenzübertritt

Der Zaun in Idomeni hielt zwar die Flüchtlinge auf, solange sie noch Hoffnungen hatten, doch noch bis nach Deutschland und andere Aufnahmeländer durchgewunken zu werden. Doch jetzt, nachdem klar geworden ist, dass diese Perspektive auf Betreiben Österreichs nicht mehr existiert, versuchen sie in ihrer Verzweiflung auf Gedeih und Verderb nach Mazedonien zu gelangen.

Dass das kleine und arme, von innenpolitischen Konflikten zerrissene Land, die Kraft haben könnte, sich der „Flüchtlingsflut“ entgegenzustemmen, wie von manchen Regierungen erhofft, ist zu bezweifeln. Wenn die Flüchtlinge zudem, anders als erwartet, nicht mit Schleppern über die grüne Grenze tröpfeln, sondern sich organisieren und versuchen, zu Tausenden die Grenze zu überwinden, sind die Sicherheitskräfte des Landes total überfordert.

Da hilft es auch nicht, dass ein paar Polizisten aus Österreich, Ungarn oder Slowakei mit an der Grenze stehen. Was können sie dort schon tun? „Heldenhaft“ Frauen und Kinder an den Grenzen verhaften, sie dann internieren und abschieben. Doch was, wenn Griechenland nicht mitspielt und sie nicht zurück nimmt? Uns könnte eine noch viel größere Tragödie als in Idomeni bevorstehen.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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9 Kommentare

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  • "Der EU-Gipfel muss jetzt entscheiden, dass die in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge tatsächlich auf alle Staaten der EU verteilt werden. "

     

    Leicht an der Realität vorbei. Selbst nach dem Merkel-Plan sollen Flüchtlinge nicht aus Griechenland nach Europa verteilt, sondern in die Türkei zurückgeführt werden.

     

    Die Hoffnung des Autors auf ein Scheitern des Österreich-Plans zur Abschottung der Balkanroute wird sich nicht erfüllen.

     

    "Dass jetzt österreichische Politiker Bundeskanzlerin Angela Merkel anflehen."

     

    Wer fleht denn Merkel an? Sie wird von den Österreichern allenfalls verhöhnt. Soll sie sagen, wie viel Flüchtlinge sie aufnehmen will - sie sagt es nicht, weil sie es selbst nicht weiß. Merkel-Chaos statt Anarchie.

  • So kann man das sehen, so muss man aber das nicht sehen.

     

    So sieht es die deutsche Kanzlerin wohl auch – zumindest entspricht es ihrer öffentlich geäußerten Haltung. Das „winzige“ Problem besteht nur darin, dass momentan vermutlich mindestens 26 andere Regierungen in der EU zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung neigen und auch zu anderen Schlussfolgerungen gekommen sind.

     

    Verhandlungen über einen gemeinsamen europäischen Weg werden zudem sicherlich nicht dadurch vereinfacht, dass Frau Merkel offensichtlich zu 150% von ihrem Kurs überzeugt ist und ein auch nur minimales Abrücken davon für gänzlich unmöglich erklärt hat (wie wir z. B. letztens im Treffen mit Frau Will „bewundern“ duften).

     

    Allein schon die von der Kanzlerin (wieder mal im Alleingang) ausgehandelte visafreie Einreise türkischer Staatsbürger in die EU dürfte nicht nur bei Herrn Hollande auf keinerlei Begeisterung stoßen. Aus Frankreich ist recht deutlich zu vernehmen, wenn Hollande sich darauf einließe, könne er die Präsidentschaft gleich an Frau Le Pen übergeben – die Wahl im nächsten Jahr wäre entschieden.

     

    Ähnliches gilt für einige andere Aspekte des zwischen Merkel und Herrn Davutoğlu abgesprochenen Vertragswerks. Etliche unserer EU-Partnerstaaten befinden sich wirtschaftlich und politisch in einer völlig anderen Situation als Deutschland und werden allein schon aus diesem Grund erhebliche Schwierigkeiten haben, Merkel auf ihrem Weg zu folgen.

     

    Mit ihrer bisherigen Methode, in Großmachtmanier ohne jegliche Rücksicht auf die Probleme anderer Staaten ihren Willen zu oktroyieren, dürfte sie vermutlich scheitern. Ein Minimum an Diplomatie wäre ratsam.

  • Bis zum Abschluss eines europäischen Vertrages ist jede Lösung eine nationale Lösung. Solange kann jedes Land für sich selbst entscheiden, ob die Flüchtlinge aufgenommen, durchgewunken oder ausgesperrt werden. Der ungehinderte Zufluss von einer unbekannt hohen Anzahl unbekannter Personen kann durch kein Sozialsystem nicht geleistet werden und ist durch keine Konvention gerechtfertigt. Da die Fluchtursachen individuell und regional unterschiedlich sind (z.B. Krieg, wirtschaftliche Armut, Überbevölkerung, Religion, Wasserarmut, u.s.w.), können diese auch nicht von den europäischen Staaten bekämpft werden. Da Syrien erst der Anfang sein wird, müssen bereits jetzt Massnahmen ergriffen werden, um die europäischen Außengrenzen - einschließlich Seegrenzen - zu sichern.

    • @DiMa:

      Sehr realistisch. Danke

  • Das Problem sind natürlich die Fluchtursachen - nur Österreich oder der EU jetzt alleine die Schuld zugeben ist billig.

    Man kann ja mal über die theokratischen Strukturen der "Fluchtländer" nachdenken - diese gilt es zu durchbrechen. Meiner Meinung nach wird es in den arabischen Ländern aufgrund dieser Denk- und Lebensweisen nie eine Demokratie geben.

  • Die Migranten sind doch in einem sicheren Land angekommen. Sie sollten sich in Griechenland registrieren lassen. Wenn Schengen wieder eingeführt werden soll, ist dieses der einzigste Weg.

  • Nur das Beheben der Fluchtursachen wird diese verzweifelten Menschen stoppen, dabei ist es egal ob es Kriegs-., Umwelt- oder wirtschaftliche Gründe sind. Kein Mensch verlässt seine Heimat, bevor der Leidensdruck nicht zu groß ist. Eine Lösung würde jedoch unser globales Geschäftsmodell gefährden. Und werden wir auf Dauer mit einer Mischkalkulation leben, die von Gewinnen, Fluchtkosten, medialer Präsenz und vieleicht einem Hauch Humanisms bestmmt wird.

  • Das sehe ich anders. Nicht Austria trägt die Schuld, sondern alle EU-Staaten, die nicht fähig oder willens sind, eine gemeisame Lösung zu finden, und zwar schnell.

    Zur Lage in Idomenie: für alle dort Gestrandeten sollen Unterkünfte bereitstehen, die die Grundbedürfnisse abdecken. Mehr Ansprüche haben Flüchtlinge, die um ihr Leben in ihren Herkunftsländern Angst haben müssen, zunächst nicht. Es ist unverantwortlich von Flüchtlingen, ihre Kinder, teilweise sogar Babys, diesen Strapazen auszusetzen. Griechenland ist ein sicheres Land, Griechenland gewährt Schutz. Das muss in aller Deutlichkeit diesen Menschen vermittelt werden.

    Die Rolle der Border-Aktivisten ist mehr als zweifelhaft: sie rufen

    zum Rechtsbruch auf, sehen dabei hilflos zu, wie vor ihren Augen Menschen ertrinken. Zynischer geht es nicht mehr.

    Ich hoffe, das der nächste EU-Gipfel eine Lösung bringt, die allen hilft sowie den Schleusern und "Aktivisten" die Geschäftegrundlage entzieht.

  • Wo ist das A-Team, wenn man es mal braucht.....

    Die würden einfach ein paar LKWs umbauen und durch die Zäune brettern.

    Naja, dauert nicht mehr lange, und die armen Schweine machen das schon selber.