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Kommentar Finanzierung freier SchulenSchluss mit dem Schnösel-Faktor

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Der Anteil von Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen an Privatschulen ist gering. Verantwortlich dafür ist vor allem die Politik.

Es ist zu einfach, anklagend mit dem Finger auf die Schulen zu zeigen Foto: dpa

D ie Privatschulfreiheit ist im Grundgesetz verankert. Vielfalt im Bildungssystem ist erwünschter als ein staatliches Erziehungsmonopol. Dabei ist der Begriff „Privatschule“ eigentlich irreführend: Der Staat erstattet Schulen in privater Trägerschaft die Personalkosten, steuert also einen Großteil ihrer Budgets bei. Dafür verlangt er aber, dass der Besuch einer Privatschule nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängig sein darf.

Die meisten Privatschulen in Berlin und Hessen verstoßen gegen dieses „Sonderungsverbot“. Sie verlangen ein Schulgeld, das sich arme Eltern nicht leisten können, und werden so zu Inseln der Besserverdienenden.

Doch es ist zu einfach, anklagend mit dem Finger auf die Schulen zu zeigen. Zumal die meisten Privatschulen keine elitären Horte für wohlstandsverwöhnte Kinder sein wollen und sich dementsprechend lieber als Schulen in freier Trägerschaft bezeichnen. Klar ist aber: Die staatliche Förderung deckt nicht alle Kosten. Die entsprechenden Schulen sind auf Elternbeiträge und Spenden angewiesen.

Die Verantwortung dafür, dass der Anteil der Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen an den freien Schulen in der Praxis dann doch gering ist, trägt vor allem die Politik. Die meisten Bundesländer machen keine Vorschriften zur Ausgestaltung des grundgesetzlichen „Sonderungsverbots“, in dem sie etwa eine Obergrenze für die Höhe des Schulgeldes vorschreiben. Der Staat zahlt, egal wie elitär die Einrichtung ist.

Hier könnte man ansetzen. Wieso knüpfen die Schulministerien die Höhe der Zuwendungen nicht an Kriterien wie die Zahl der Schüler aus einkommensarmen Haushalten? Schulen mit hohem Schnösel-Faktor müssten Abstriche machen. Doch das wäre wiederum ein Anreiz für all jene Schulen, die derzeit eklatant gegen das Sonderungsverbot verstoßen, sich um benachteiligte Schüler zu bemühen. Dann würde sich auch in den Privatschulen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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8 Kommentare

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  • @Anna Lehmann

    Sie schreiben im Artikel: "Klar ist aber: Die staatliche Förderung deckt nicht alle Kosten. Die entsprechenden Schulen sind auf Elternbeiträge und Spenden angewiesen."

     

    Das hängt ganz davon ab, welche Finanzhilfen das Bundesland den Schulen zahlt.

     

    In Baden-Württemberg kann man in den Ergänzungen zum Gesetzentwurf ( https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/beteiligungsportal/KM/Dokumente/170523_Gesetzentwurf-zur-Aenderung-des-Privatschulgesetzes.pdf ) auf Seite 18 feststellen, welche Kosten-Deckungslücken verbleiben; Private Grundschule z.B. mtl. 84 €, private Realschule mtl. 93 €).

    Dabei muss man berücksichtigen, dass das Kultusministerium davon ausgegangen ist, dass an privaten Schulen die gleichen Kosten wie an den staatlichen Schulen entstehen.

    D.h. u..a. die unterschiedlichen Personalkosten (keine Beamtengehälter) wurde nicht berücksichtigt. Ebenso wenig, dass sich der Sozialindex der Schülerschaft unterscheiden wird. (Siehe dazu z.B. für Hamburg Drs. 19/7690).

     

    In Hamburg erhalten die Privatschulen Finanzhilfen in Höhe von 85 % bzw. 100 % der Schülerkosten staatlicher Schulen. (§14 ff. HmbSftG)

    Trotzdem dürfen sie zusätzlich Schulgelder in Höhe von 200 Euro verlangen. (Siehe HH Drs. 19/1960 S. 3).

     

    Ähnlich sieht es in Schleswig-Holstein aus. https://www.landtag.ltsh.de/plenumonline/archiv/wp18/27/debatten/top38.html , Zusätzlich sind durchschnittliche Schulgelder i. H. v. 170 €/220 € erlaubt.

     

    für Rlp werden alle Kosten getragen und grundsätzlich besteht deshalb Schulgeldverbot, welches allerdings nicht für Waldorfschulen gilt. Drs. 15/2971

     

    Für Hessen siehe Schulgelder u.ä. lt. Drs. 19/1632 S. 16 ff

     

    Und auch in NRW werden trotz sehr hoher Finanzhilfen und Schulgeldverbot/bzw. ggf. Anrechnung auf die Finanzhilfen

    viele Schulen die fehlende Schulaufsicht nutzen, um vom Staat und Eltern Gelder zu verlangen.

    https://www.welt.de/regionales/nrw/article152258787/Privatschule-kassierte-trotz-Schulgeld-Zuschuesse.html

  • Sicherlich sind die Privatschulen eine Antwort auf ein immer schlechter werdendes Schulsystem. Darüber sollte man reden und nicht über das Schulgeld. Mehr Geld in die Schulen? OK!

     

    Aber das würde das System nicht heilen und nicht verbessern. Wir geben immer noch zu viel Geld für die schulunterstützenden Systeme (Schulämter, Kultusministerien mit irsinnigen Dezernaten, etc.) aus. Davon kann man sich vieles sparen. Man sollte die Schulen in die Eigenverantwortung entlassen. Das ist das Modell, dass Privatschulen fahren.

     

    Ich bin mir sicher, dass alles in allem den Privatschulen weniger Geld zur Verfügung steht wie für die staatlichen Schulen inkl. Des Wasserkopfes aufgewendet wird. Nur verwalten sie es besser, so dass es dort ankommt, wo es hingehört: In der Bildungsarbeit am Kind!

     

    So falsch ist mein Ansatz nicht! Ich habe jahrelang in privaten Wie staalichen Systmen gearbietet.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Meine Kinder sind alle auf eine private Grundschule gegangen, ich auf ein privates Gymnasium. In RPL haben wir keinen Pfennig dafür zahlen müssen.

  • der Ansatz ist völlig falsch. Die Privatschulen sind die Anwort auf ein immer schlechter werdenden Schulsystem. Wichtig wäre, mehr Geld für staatliche Schulen auszugeben, dies aber auch vom Lehrstoff her besser auszustatten. Schon heute bieten die meisten Privatschulen für Einkommensschwache Stipendien an. Sie suchen sich aber natürlich die Einkommenschwachen aus "bildungsnahen" Elternhäusern. Je mehr dies zunimmt, desto mehr wird die staatliche Schule zu einer Ansammlung des "traurigen Restes", der kein Geld hat und Eltern, die wenig Interesse an Bildung haben.

     

    Man sollte nicht das Symptom (Privatschulen) bekämpfen, sondern die Ursache (Unzufriedenheit mit dem staatlichen Schulsystem).

    • @Dr. McSchreck:

      Schreck laß nach -

       

      Das ist von Ihnen?!

      Chapeau.

  • Ich habe da eine andere Sicht auf einige, nicht alle Privatschulen.

     

    Die Ersatzschulfinanzierung der Länder an die Privatschulen ist - da hier ja eine Form der staatlichen Bildungsarbeit geleistet wird - zu niedrig angesetzt. Dadurch sind die Privatschulen gezwungen, Schulgelder zu erheben.

     

    Sagen wir als Beispiel, die Ersatzschulfinanzierung läge bei 75% der Kosten, die eine staatliche Schule das Land kostet. Dann spart das Land 25% und bekommt SEINE Schüler unterrichtet. Es muss keine neue Schule bauen, weil das ja die Privatschulen selbst leisten müssen. In den 75% sind dann nicht einmal die Rücklagen des Landes für die Rentender Beamten berücksichtigt, so dass man sagen kann, dass eine Privatschule die Länder nur ca. 60% einer staatlichen Schule kostet. Das ist effizient! Für das Land!

     

    Würde das Land nun die Privatschulen - und ich spreche hier ausdrücklich von nicht gewinnorientierten Trägern - adäquat unterstützen, so könnten sich die Schulen auch mit einem deutlich geringeren Schulgeld finanzieren. Aktuell ist das betriebswirtschaftlich nicht denkbar. Es sei denn, man will die Privatschulen in den baulichen Zustand einer staatlichen Schule versetzten.

     

    Meiner Meinung wäre folgendes besser: Erhöhung der Ersatzschulfinanzierung, Entschlackung der staalichen Schulen und des gesamten Schulsystems. Dann würde man Geld sparen ohne Ende und könnte ohne Probleme auch finaniell schwächeren Familien zu einer guten Bildung verhelfen.

     

    Denn darum geht es doch und nicht wer diese Bildung anbietet.

     

    Liebe Grüße

  • Zum Thema "Sonderungsverbot" ein einfaches Beispiel: Europaschule Bad Vilbel (aus der Application Form):

    "School fees (monthly) for the English section are as follows, valid until further notice:

    Classes 1-4: 800,- EUR

    Classes 5-10: 900,- EUR

    Classes 11-12: 1,000 EUR"

    Wenn sich drei Hartz IV Empfänger zusammen tun, könnten sie ein Kind an die Schule bringen. Alles kein Problem also. Ironie Ende.

     

    Kein Mensch kann davon ausgehen, dass sich jeder unabhängig vom Einkommen eine solche Schule leisten kann. Und bei anderen Privatschulen ist es ja nicht anders.

     

    Ich befürchte, dass die Bildungsspirale in Deutschland wie in den USA enden wird. Man hat eine reiche Eliteschicht, die an Schulen wie Harvard studieren kann und eine breite recht ungebildete Masse (die dann Trump wählt, weil sie den Überblick verloren hat).

  • Nein, sie glauben irgendwie an das Gute im Menschen. In Schulen in privater Trägerschaft grenzt sich die deutsche Mittelschicht (vielleicht noch ein paar Quoteneuropäer aus gutem Hause) gegen den Rest ab. Die Reichen schicken ihre Kinder ganz woanders hin. Was sie hier sehen, ist ein Treten nach unten mit Besitzstandswahrung. Keine Politik wird etwas dagegen tun können, außer sie bezahlen 20% der Plätze und reservieren sie für "Klientel".