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Kommentar Familienpolitik-StudieBetreuungsgeld spaltet

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Eine Studie zeigt, dass die „Herdprämie“ Ungerechtigkeit verstärkt. Und sie zeigt, wie Fakten von politischen Parteien im eigenen Sinne ausgelegt werden.

Klischees helfen nicht weiter: Frau mit Säugling. Bild: reuters

E s ist keine überraschende Nachricht, aber doch eine bedeutende, die ForscherInnen jetzt bekannt gegeben haben: Das Betreuungsgeld trägt mit dazu bei, dass sich dieses Land weiter spaltet in Arm und Reich, in Gebildete und Ungebildete, in Aufsteiger und Absteiger. Unzählige Studien und unzählige Experten hatten vor der „Herdprämie“ heftig gewarnt, bevor sie im Sommer des vergangenen Jahres eingeführt wurde.

Die KritikerInnen stützten sich unter anderem auf Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern, wo es ähnliche Sozialleistungen schon länger und mit ähnlichen Ergebnissen gibt. Vor allem migrantische und bildungsferne Familien entscheiden sich für ein bisschen mehr Geld und gegen Bildung für ihre Kinder.

Möglicherweise fühlen sich jetzt jene bestätigt, die schon immer meinten, dass manche Eltern Hartz IV, Kindergeld und eben auch die „Herdprämie“ versaufen und darüber ihre Kinder vergessen. Klischeedenken wie dieses bringt die Debatte um soziale Ausgrenzung allerdings nicht weiter. Vor allem ändert es nichts an der Tatsache, dass ein familienpolitisches Instrument, das positiv wirken sollte, genau das Gegenteil produziert.

Was wirklich gebraucht wird, sind echte Bildungsangebote: keine läppischen 150 Euro im Monat, sondern genügend und kostengünstige Kitas sowie Anlaufstellen für Eltern, die Hilfe brauchen. Dort, wo es so etwas heute schon gibt, beantragen auch weniger Familien Betreuungsgeld.

Und noch etwas zeigt die Meldung exemplarisch: Wie Fakten im eigenen Sinne ausgelegt werden können. In diesem Fall sogar konträr: Während die Opposition sich in ihrer Kritik an der „Herdprämie“ bestätigt fühlt, erkennt die CSU darin eine „Erfolgsgeschichte“. Ein Zeichen dafür, dass es häufiger um Selbstdarstellung geht und seltener um die Betroffenen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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3 Kommentare

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  • Meine fresse, meine Frau und Kind haben das Geld einfach bitter nötig. Mehr als diese Prämie und kg bekommt sie nicht, da ich mit meinen 12 Eurostd laut amt zu viel verdiene.

     

    Außerdem möchte ich gar nicht das unser Kind von irgendwelchen verkorksten pädagogen verzogen wird. Das kann ich auch alleine.

  • Dieser Artikel ist in der Tat

     

    "Ein Zeichen dafür, dass es häufiger um Selbstdarstellung geht und seltener um die Betroffenen."

     

    Da er empfiehlt eine Familienleistung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe abzuschaffen und diese Gruppe auch noch als dumm und "bildungsfern" diffamiert.

     

    "Möglicherweise fühlen sich jetzt jene bestätigt, die schon immer meinten, dass manche Eltern Hartz IV, Kindergeld und eben auch die „Herdprämie“ versaufen und darüber ihre Kinder vergessen."

     

    Ah, ja ?

    Aber nein ....

    "Klischeedenken wie dieses bringt die Debatte um soziale Ausgrenzung allerdings nicht weiter. " Schmollack bewahre uns davor.

     

    Frau Schmollack, was sie unter Bildung verstehen, hat mit meinem Verständnis von Bildung (soviel zu meiner Selbstdarstellung) überhaupt nichts zu tun.

    Frühe Konditionierung der Kinder, damit sie später in einer absolut nicht kindgerechten Umgebung, genannt Schule sich unterordnen und kreatives Denken verlernen - dies treibt einen Keil in die Gesellschaft - dies sind die Wurzeln für Unglück, Neurosen und Narzissmen.

     

    Gegen Ausbau der Qualität der frühkindlichen Betreuung habe ich nichts. Im Gegenteil sie ist dringend geboten.

    Aber bitte, ohne überprüfbaren Bildungsanspruch, ohne Beurteilungen der Kinder, ohne Konkurrenz und Leistungsdruck und vorallem ohne Entmündigung der Eltern in Erziehungsfragen und Betreuungsfragen.

    Dieser Entmündigung reden sie ständig mit ihrem Begriff Herdprämie das Wort. Vergessen Sie nie, dass sie damit die Mehrheit der Mütter/Väter/Migranten/Arbeitslosen/Nichtakademiker beleidigen.

    Ausgrenzung beginnt mit Vorurteilen und Misstrauen.

    Gerade unsere Bildungseinrichtungen sind ein Hort solcher Vorurteile.

    Warum sollten benachteiligte Eltern ihre Liebsten schon so früh diesen Einrichtungen anvertrauen ?

    Meist haben die Eltern ja selbst Diskriminierungserfahrungen im Bildungsbereich erlebt.