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Kommentar FDLR-ProzessEin Richter ruft um Hilfe

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

In Stuttgart wurden die zwei Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR wegen Gräueltaten im Ausland verurteilt. Die Urteile sind kurios.

Die aktuelle deutsche Strafprozessordnung taugt nicht für die Aufklärung von Völkerstraftaten im Ausland. Foto: dpa

E in historisches Urteil ist es nicht, das das Oberlandesgericht Stuttgart nach über vier Jahren Prozess gegen die beiden politischen Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) gefällt hat.

Es war der erste Prozess in Deutschland gegen Führer einer ausländischen bewaffneten Gruppe wegen Führungsverantwortlichkeit für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach den Regeln des Völkerstrafrechts, übernommen vom Internationalen Strafgerichtshof. Jetzt müssen alle Beteiligten sehen, was sie mit dem Wirrwarr anfangen, den ihnen die Stuttgarter Richter hingelegt haben.

Einerseits erklären die Richter die FDLR, die barbarische Gräueltaten an Zivilisten im Kongo begangen hat, zur „terroristischen Vereinigung“– andererseits sagen sie, die FDLR habe keine „Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen“, also ausgedehnte und systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung, sondern bloß „Kriegsverbrechen“, also Schweinereien, die im Krieg halt passieren, zumal im Kongo.

Einerseits erklären sie FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, die die Miliz aus Deutschland heraus jahrelang ungestört politisch führten, zu „Rädelsführern“ – andererseits verurteilen sie Murwanashyaka lediglich wegen „Beihilfe“ zu den Verbrechen seiner Organisation, nicht als Vorgesetzten, und Musoni in diesem Zusammenhang überhaupt nicht: Er verlässt das Gericht als freier Mann, weil er seine Haftstrafe bereits abgesessen hat.

Das ist Rechtsstaat, könnte man einwenden. Aber der vorsitzende Richter hat noch ein drittes Urteil gefällt. Sein Resümee dieses Verfahrens, sagte er, ließe sich in vier Worten zusammenfassen: „So geht es nicht!“ Genauer: Die deutsche Strafprozessordnung taugt in ihrer heutigen Form nicht für die Aufklärung von Völkerstraftaten im Ausland. Die kuriosen Urteile sollen diese Feststellung wohl untermauern.

Das mag eine überfällige Debatte befördern, wie Deutschland mithalten kann im Unterfangen, nach einigermaßen einheitlichen Standards internationale Gerechtigkeit zu schaffen und internationale Straflosigkeit bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden. Schade nur, dass die Rechtsprechung in diesem konkreten Fall das Bauernopfer zu werden droht.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Dr.Ignace Murwanashyake und dessen ganze Familie wurden jahrelang von der Landesregierung BaWü alimentiert. Das sollte nicht vergessen werden. Murwanashyake konnte tausende Telefongespräche auf dem Diensttelefon nach Ruanda führen, um seine Kriegstreiber dort auf Vordermann zu bringen.

    Es ist und war zum Fremdschämen.

  • "Analyse FDLR-Urteil

    Ein Urteil voller Widersprüche

    Die Richter erklären die FDLR zur terroristischen Vereinigung. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ habe sie aber nicht begangen.…"

     

    Mit Verlaub - Herr Johnson -

    'Analyse' - dann lassen Sie doch einfach mal - auch wenns Ihnen offensichtlich schwerfällt - solchenfalls den dicken Stift weg. Besser is das.

     

    Les ich Ihrs richtig - hat das Gericht nüchtern - entspr. in dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten - entschieden -

    Daß der angezogene Tatbestand nach seiner Überzeugung nicht nachgeweisen ist.Punkt.

     

    Ob demgegenüber die Revision darin einen Rechtsfehler über Inhalt und Rechweite des Tatbestandes feststellen - &

    kurz - die Subsumtion im Ergebnis sodan als fehlerhaft ansehen werden wird ->

    Ward sich all utwiesen.

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Das ist ein politische Show und für mich bedeutungslos. Was haben die deutsche Gerichte in anderen Staaten zu suchen. Gar nichts.

    Deutsche Gerichte bzw. westliche Gerichte sollen erst unsere Verbrecher anklagen. Wie G.W. Busch, Rumsfeld, Dick Cheney, Obama, viele frühere US Präsidenten und Aussen Minister, sowie Henry Kissinger, Stein Meier, Genscher usw. Wenn die alle Kriegsverbrecher bestraft sind, sind danach solche Gerichte für mich Glaubwürdig. Vor solchen Gerichte habe ich kein Respekt. Sie machen unsere Werte kaputt, die noch ein klein Bisschen vorhanden sind.

  • Sorry, Herr Johnson, aber "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"? Wie sehen die aus? Es gibt Verbrechen gegen die Menschheit. Oder kann sich auch jemand gegen die Freundlichkeit vergehen statt gegen die Menschen, zu denen er unfreundlich ist? Ich denke, das Gerede von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" beruht darauf, dass vor Zeiten jemand nicht begriffen hat, das "humanity" zwei Bedeutungen hat: Menschheit und Menschlichkeit - und schlicht die falsche Entscheidung für "Menschlichkeit" getroffen hat.

  • "Die deutsche Strafprozessordnung taugt in ihrer heutigen Form nicht für die Aufklärung von Völkerstraftaten im Ausland" ist nur ein Bruchteil der Wahrheit. Sowohl die Strafprozessordnung als auch die Strafgesetze selbst taugen vor allem überhaupt nicht dafür, gerechte Urteile zu fällen, die ursächliche Probleme zum Verschwinden bringen. Vielmehr gibt es diverse Branchen, die ihr dickes Geschäft damit machen, daß solche Grundprobleme erhalten bleiben.

  • Sie waren Schergen von Michel Micombero, Theoneste Bagosora, Edouard Karemera "Rukusanya", Jean Kambanda. Während ihre Befehlsgeber entweder tot, oder inhaftiert sind, erfreuen sie sich der Glimpflichkeit.