piwik no script img

Kommentar EurorettungDer nötige Vergeltungsschlag

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Bisher hatte die Finanzkrise den Charakter einer unausweichlichen Naturkatastrophe. Nun zeigen die Eurohüter den Finanzmanagern, dass sie aufgerüstet haben.

E s wurde sehr militärisch in den letzten Tagen. Horden von Spekulanten greifen in dem Horrorszenario die Euroländer des Mittelmeerraums an und haben Griechenland schon überrannt. Nun jedoch schlägt die EU zurück.

Mit einer Schnelligkeit und Absolutheit, die man ihr gar nicht mehr zugetraut hat: Innerhalb eines Wochenendes haben die Entscheider der Union das starre Gebilde Euroraum flexibel gemacht. Die Zentralbank unterstützt plötzlich doch schwache Schuldner, die EU-Kommission kann ihren Haushalt verpfänden, die Mitgliedsländer stellen Bürgschaften in Höhe von 440 Milliarden Euro zur Verfügung, der Währungsfonds IWF ist mit dabei.

Damit geben vor allem die Deutschen die starren Sicherungen aus der Zeit der Eurogründung auf - weil klar wurde, dass nur mit einem Reaktionskatalog, wie ihn zum Beispiel die USA haben, in der globalisierten Welt genügend Gegengewicht zu den Wetten der Fondsmanager aufgebracht werden kann.

Bild: taz

Reiner Metzger ist Vize-Chefredakteur der taz.

Der Euro wird vielleicht weniger stabil sein in Zukunft und schwanken wie der Dollar. Aber er wird nicht auseinanderbrechen. Und das ist auch für die deutsche Wirtschaft eine dringend nötige Sicherheit.

Die von den Regierungschefs beschlossenen 720 Milliarden Euro Bürgschaften und Kredite sind eine Zahl aus einem großen Finanzkrieg. Das ist höchst gefährlich, weil bei einem Krieg hohe Kollateralschäden entstehen.

Aber es ist trotzdem eine positive Entwicklung. Denn bisher hatte die Finanz- und Staatskrise den Charakter einer unausweichlichen Naturkatastrophe. Nun zeigen die Eurohüter den Finanzmanagern, dass sie erheblich aufgerüstet haben. Ob die Angreifer noch weitere Waffen im Arsenal haben, wird man sehen.

Ein Kollateralschaden ist allerdings schon klar: In Zukunft greifen bei einer staatlichen Finanzkrise auch im Euroraum die Kriterien des Internationalen Währungsfonds - wie beim Hilfspaket für Griechenland, nur mit zehnmal so vielen Milliarden.

Die Details sind noch nicht bekannt, aber beim IWF haben Sparen und Verkauf von Staatsbesitz immer eine höhere Priorität als soziale Kriterien. Das war bisher so bei Krisen in Asien oder Südamerika, künftig wird es auch im Euroraum so sein.

Das wird beim ersten Ernstfall deutlich werden. Die Nachricht vom großen Milliarden-Kriegsrat in Brüssel kam in Deutschland erst nach der Schließung der Wahllokale in Nordrhein-Westfalen an. Dort waren die Bürger zornig, dass sie eventuell für eine Pleite Griechenlands mitzahlen müssen.

Aber es ist nun einmal eine Krise des Euroraums und nicht einzelner Länder: Das werden die Wähler einsehen müssen, ob sie wollen oder nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • A
    Amos

    Was nützt es, wenn man einem Ertrinkenden einen Rettungsring ins Wasser schmeißt und der dann im Wasser

    sich auflöst. Die Taktik ist doch, so viele Schulden zu

    machen bis es nicht mehr weiter geht um dann mit einem Schlag, die unbezahlbaren Schulden, los zu sein.

  • A
    Amos

    Wer hat von der EU und dem Euro denn wirklich profitiert? Das sind die Großkonzerne, die Banken und die käuflichen Politiker, die Spekulanten und Zocker.

    Die "Normalsterblichen" verarmen zusehends mehr.

    Was soll also der ganze Quatsch, wenn diese Mogelpackung: Europa, nur noch den Plutokraten dient.

    Generalstreik und raus aus Europa oder Politiker

    "entseuchen" und Neuanfang.

  • H
    Henrik

    Peinlich. Können Ihr auch selber denken - oder sieht die Taz sich selbst als die Sprachrohr Barrosos und Merkels?

  • M
    Max53

    Die Politiker lügen.

    Uns wird doch nicht gesagt,daß führende Ökonomen in Deutschland die Wiedereinführung der D Mark fordern.Mit der DM könnten wir die Krise besser gestalten,oder ist Deutschland mit dem Euro zur drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt geworden.Wer glaubt,daß es bei 750 Milliarden bleibt und die nicht von den Märkten angefordert werden,der glaubt auch,das Politiker immer die Wahrheit sagen.Das sind Garantiegelder,die werden also mit Garantie fällig.Bei den 750 Milliarden bleibt es nicht.Das ist erst der Anfang.Ökonomen und Banker gehen eher von 1500 Milliarden,also 1,5 Billionen aus.Das sind 3,4 Billionen D Mark.Welche Banken und Zocker verzichten auf diesen Batzen,wenn wir Steuerzahler dafür garantieren.Jetz wißt ihr auch warum diese Sache genau einen Tag nach der NRW Wahl raus kommt.Damit die Idioten ihr Kreuz bei CDUFDPGRUENESPD machen,die Parteien,die uns die Misere eingerührt haben.Also,wenn die Löhne und Renten in den nächsten Jahren nicht steigen,wenn ein Krankenkassenbeitrag von 50 Euro/ Monat gezahlt werden muß,wenn die Schulen zusammenfallen,wenn wir 30 Millionen Arme haben wollen,dann immer schön das Kreuz bei CDUFDPGRUENESPD machen,aus alter Gewohnheit.Oder Du bist Millionär,dann kann es Dir egal sein.Mir ist es nicht egal.Ich will,daß es besser wird.Ich habe und werde die LINKE wählen.Dann wird es besser.

  • C
    Chris

    Die kriegerischen Metaphern mögen manche LeserInnen stilistisch aufregen, da sie nicht zum üblichen TAZ-Sprech passen. Zu kritisieren sind sie aber vor allem deshalb, da sie inhaltlich nicht taugen. Denn mit dem jüngsten "Rettungspackt" zeigt die EU mitnichten ihre Zähne. Vielmehr sind die Finanzminister, Staats- und Regerierungschefs und - noch mit Zögern - auch die Führung der EZB mit einem dumpfen Aufschlag in der Realität angekommen.

    Sie lassen also mit ihren "Tabubrüchen" nur zu, was in der Finanz- und Wirtschaftskrise logischerweise nur möglich ist, solange die bisherige wirtschafts- und finanzpolitischen Dogmen nicht aufgeben werden: die EZB wird ihrer Kernfunktion als lender-of-last resort gerecht.

     

    Wer hier von einer radikalen Neuausrichtung der bisherigen Politik, neuen Waffen oder der über die Gelpolitik heraufbeschworene Gefahr einer Hyperinflation schwadroniert, hat weder die Ursachen und bisherigen Wirkungen der strukturellen Krisen auf den Finanzmärkten verstanden, noch einen Schimmer von den eigentlich notwendigen Maßnahmen, um einige der Effekte zu minimieren. Fakt ist, dass die EZB wie auch die FED und andere Notenbanken mit ihrer "Liquidität" nur die Liquidität ersetzen, die die privaten Marktteilnehmer (Banken, Fonds etc.) schlicht nicht mehr haben oder die sie sich untereinander nicht mehr zur Verfügung stellen, da sie die Risiken des Ausfalls ihrer Kredite und Forderungen als zu hoch erachten.

     

    In dieser Hinsicht sind wir wieder nur an dem Punkt angelangt, an dem sich die OECD schon am Ende 2007ff. befand: Um weiter die Zahlungsfähigkeit und damit eben die Liquidität in den Märkten zu garantieren, muss der Geldmarkt mit Liquidität geflutet werden. Wer das nicht will, aus Furcht vor einer Inflation (die an der Preisentwicklung aller Finanzwerte in den letzten Jahrzehnten ohnehin abzulesen ist), der muss die radikale Rückführung der Verschuldung bei den Finanzakteuren selbst fordern. D.h. die Banken, Fonds, Versicherungen und der immer wieder Beschworene "kleine Anleger und Sparer" müssen die inflationär völlig aufgeblasenen "Vermögen" rapide entwerten.

     

    Wer nun das nicht will, der muss der EZB zugestehen, die Preisblasen aufrechtzuhalten, die sich durch das Kreditsystem und die Gelschöpfung des privaten Finanzsektors selbst stetig ergeben. By the way, auch jenseits der Krisen war die Geldpolitik der Notenbanken stets immer nachgelagert zur weit dynamischeren und damit primär inflationär wirkenden Geldschöpfung des privaten Finanzsystems. Diese empirisch gut belegte Tatsache hat sich mittlerweile selbst bis in die orthodoxe Wirtschaftswissenschaft herumgesprochen.

     

    Nun müsste gleichzeitig aber rational betrachtet der endogen von den privaten Akteuren erzeugten Inflation und Instabilität des Finanzmarktes durch rigorose politische Regulationen und Interventionen entgegen getreten werden: Mit anderen Worten, es müsste die Luft aus den Blasen gelassen werden und damit aber auch der weitgehende Bankrott zugelassen und im Gegenzug die Verstaatlichung zentraler Finanzinstitutionen eingeleitet werden. Und wer das aus ideologischen Gründen nicht akzeptiert, der muss eben das völlig überschuldete, teure und ineffizientes System am Leben erhalten.

     

    Nichts anderes ist am Wochenende mit dem Rettungsschirm für den Euro in der EU beschlossen worden. Es ging nie um eine "Kriegserklärung" an die Finanzakteure, sondern die Maßnahmen stehen in logischer Konsequenz zur bisherigen Politik und ihres weitgehenden Versagens.

  • H
    hto

    Um die Debatte in gewohnheitsmäßiger Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll konfusionierend zu unterstützen: Soll man diese "naturgesetzmäßigen Rettungsgelder" nun als "Entwicklungshilfe" verbuchen?

  • M
    Michael

    Natürlich ist es eine pessimistische Einschätzung dessen, was der Kommentar meiner Meinung nach unberücksichtigs lässt: Durch diesen Money-Puffer sind die Länder nicht länger angehalten, den Wachstums-Begriff und ihr Haushalten zu überprüfen. Die sich daraus ergebende Sicherheit ist brüchig. Wohin fließen die Gelder aus dem Puffer, wenn sich eventuell (was bald passieren kann) gewisse finanzielle Engpässe einzelner Länder ergeben? Wer kann eine solche Summe überschauen? Bzw. deren Einsatz und Verteilung? Es wäre unrealistisch zu behaupten, dass hier nicht einiges an Geldern sinnfrei verdorrten Boden düngen wird. Die Gelder fließen zur Staatssicherung und Wachstumsfinanzierung ein in den Finanzmarkt - der eben die horrende Gesamtsituation mitverschuldet hat - wie wir alle und die Politik durch unser fortschrittsgläubiges Gebaren. Damit wird der Markt über kurz oder lang eine besondere Liquidität erlangen, die ihm erlaubt, die Spekulationen in neue Höhen zu treiben.

    Ohne gekonnte, nachhaltig einschränkende Regelungen des Finanzmarktes ist diese Art der Reaktion auf die Krise nur ein Beruhigungsdrops für Wen auch immer - für eine sehr einseitige Vorstellung von Staats-Zukunft und Ökonomie und dauerhaft kontraproduktiv.

    Eine Staatspleite, wie die Griechenlands, ist längst kein Grund zu verzweifeln und länderübergreifende Solidarität in solchen Notlagen kann auch anders aussehen, als die hier angezeigte. Sie zeigt aufgrund der Summe, die hier ins Spiel gebracht ist nur eines: Die Machtlosigkeit gegenüber der Marktideologie.

  • A
    A.Grech

    Nanu? Die taz übernimmt doch auch sonst nicht kritiklos die Regierungspropaganda. Warum dann ausgerechnet hier, in so einer wichtigen Sache?

     

    Das "Rettungspaket" gewinnt bestenfalls Zeit und es wäre m.E. schon zu hinterfragen, ob dafür wirklich so hohe Risiken in Kauf genommen werden müssen?

     

    Also wäre ich Fondsmanager in Ostasien, würde ich momentan wahrscheinlich auch die Eurozone eher meiden und bestehende Engagements auflösen. Andere Zonen stehen noch ein bisschen schlechter da, das ist richtig, aber Misstrauen, Zerwürfnisse und Verteilungskämpfe in der Eurozone sind halt unübersehbar. Man kann sie nicht wegdefinieren.

  • J
    Jakob

    "Der Euro wird vielleicht weniger stabil sein in Zukunft und schwanken wie der Dollar. Aber er wird nicht auseinanderbrechen. "

    Das kann man gerne als Tatsache verkaufen, dies aendert aber nichts daran, dass es pure Spekulation ist. Was noch kommt, das wagt kaum ein Oekonom vorherzusagen.

     

    Ausserdem waere ich sehr vorsichtig die neuentdeckte Flexibilitaet der Union zu bejubeln. Es macht auf mich eher den Eindruck, als wenn ehemals festgelegte Richtlinien (ob schlecht oder recht sei dahingestellt) ueberschritten werden, da die Finanzkrise einen uebergeordneten Zwang darstellt. Man muss sich dabei schliesslich vor Augen halten, dass es sich hier um eine pure Reaktion (um nicht zu sagen Reflexe) handelt, nicht um Initiative. Oder um bei Ihrer Bildsprache zu bleiben Herr Metzger: Es ist keine Offensive, die die OHL da ausgetueftelt hat, sondern vielleicht sogar um einen Rueckzug!

     

    Wie man es nun dreht und wendet, die Krise haelt seit 2008 an; wie lange sie noch dauert und wohin sie fuehrt, dass bleibt eine Frage fuer... nun ja, Spekulanten.

  • MN
    Mein Name

    Wer bürgt für Deutschland, die USA etc. wenn sie demnächst Pleite sind?