Kommentar Europapolitik der Linkspartei: Das Elend der Traditionslinken
Teile der Linken verdächtigen die EU, imperialistisch und demokratiefeindlich zu sein. Das ist gedankenarm und geschichtsvergessen.
J ürgen Klute ist Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament und ziemlich erbost über seine deutschen GenossInnen. Die würden, so der Westlinke, auf die antieuropäische Karte setzen und das gleiche Spiel betreiben wie Rechtspopulisten und aggressive Nationalisten.
Das mag zu steil formuliert sein – doch es hat einen Beigeschmack von Wahrheit. Es gibt in der Partei eine Rhetorik des routinierten Dagegenseins, die die EU unter den Verdacht stellt, imperialistisch, neoliberal und demokratiefeindlich zu sein. Ein Konzentrat dessen, was Linke zu hassen lieben.
Das ist gedankenarm und falsch. Die EU ist, bei allen Fehlern und allem Übergewicht des Gouvernementalen, ein work in progress, das nicht Schmähkritik, sondern produktive Mitarbeit braucht. Und zwar gerade von geschichtsbewussten Deutschen. Dass Traditionslinke ausgerechnet hundert Jahre nach der Katastrophe von 1914 geschichtsvergessen zu Polemiken am Rande der Europaverachtung greifen, zeigt, in welch intellektuellem Zustand Teile der Partei sind. Zumal gerade Traditionslinke historisches Lernen gern wie einen Popanz vor sich herträgt.
Die Linkspartei ist in toto ganz und gar nicht antieuropäisch gestimmt. Die Front verläuft auch nicht nur entlang der eingefrästen Pro-Rot-Rot-Grün versus Fundi-Opposition-Linie. Die maßlose EU-Kritik kommt aus einer kleinen, aber lautstarken Gruppe. Für die Linkspartei ist diese Debatte eine Chance zur Selbstaufklärung und Positionierung.
Allerdings muss sie diese Debatte führen und nicht wie sonst immer ängstlich alle Positionen in Leitanträgen berücksichtigen und jeden Streit in sorgsam ausgetüftelten Formelkompromissen entsorgen. Wenn die Linkspartei nicht mal bei der Haltung zur EU kristallklar für eine aktive Reformpolitik Position beziehen kann – wo soll sie es dann können?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker