Kommentar Europäischer Datenschutz: Ein wenig sicherer
Die Richtung muss stimmen: Datenschutz sollte als Innovationsanreiz und nicht als Bremsvorrichtung gesehen werden.
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V ideoüberwachung und automatisierte Gesichtserkennung überall. Daten, die auf ewig gespeichert werden. Algorithmen, die aus Gesundheitsdaten den Beitrag für die Krankenversicherung errechnen. Wie würde eine Welt ohne Datenschutz aussehen? So? Oder noch viel schlimmer?
Das Recht darauf, unbeobachtet zu sein, gilt häufig als Bremsvorrichtung. Bei Strafverfolgern, in Wirtschaft und Politik. Bis hin zur Bundeskanzlerin, die kürzlich verlautbaren ließ, der Datenschutz dürfe auf keinen Fall zu Lasten von Big Data gehen – gegen die Interessen der Wirtschaft also.
Datenschutz ist als vermeintliches Verhinderungsinstrument so verinnerlicht, dass es zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden ist. Denn: Wer das Recht auf Privatsphäre als bremsend versteht, wird damit auch bremsen.
Und das, weil es keinen Anreiz gibt, Datenschutz als das zu betrachten, was er eigentlich sein kann: ein Innovationstreiber. Ein Impulsgeber dafür, nach neuen Lösungen zu suchen, die jenseits des einfachsten Weges liegen.
Soziales Netzwerk mit Klarnamen? Das kann jeder. Aber wie sieht es aus, wenn die Nutzer unerkannt unterwegs sein wollen – ist dann trotzdem eine Vernetzung machbar? Ein Kurznachrichtendienst, der die Adressbücher ausliest – einfach. Aber gibt es auch einen Weg, der das vermeidet und es trotzdem erlaubt, Freunde und Bekannte zu finden?
Doch solche Ansätze entstehen nur, wenn das Recht auf Privatsphäre auch durchgesetzt wird. Denn natürlich ist es billiger, sich um nichts zu kümmern – das gilt in Sachen Umweltschutz oder Arbeitsbedingungen genauso. Also braucht es nicht nur Gesetzesvorhaben, sondern auch Sanktionen.
Die Datenschutzgrundverordnung, die das EU-Parlament am Donnerstag verabschiedet hat, ist zumindest ein erster Schritt dahin, das zu ändern. Jetzt kommt es darauf an, nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben.
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