Grundverordnung zum Datenschutz: Kredit nur mit guter Adresse
Verbraucherschützer üben Kritik an der Verordnung: Unternehmen erhalten ein Druckmittel gegen Kunden, die Auskunftspflicht ist nicht gesichert.
Das EU-Parlament hatte die neue Verordnung im April beschlossen, im Frühjahr 2018 wird sie in Kraft treten. Als großen Fortschritt sehen Verbraucherschützer, dass dann das sogenannte Marktortpinzip gilt: Ein Unternehmen, das in der EU seine Dienste anbietet, muss sich auch an hiesiges Recht halten – und dank hoher Strafen lässt sich das auch durchsetzen.
Doch beim Thema Scoring, also der Einschätzung der Kreditwürdigkeit, wird es nach Ansicht der Verbraucherschützer schlechter. So sei das Scoring alleine anhand der Adresse derzeit in Deutschland verboten – in der neuen Verordnung aber ist es erlaubt. Auch bestrittene Forderungen, wenn etwa ein Unternehmen unberechtigterweise Geld von einem Kunden fordert, sollen mit der Verordnung in den Score einfließen können.
Für Unternehmen wäre das ein neues Druckmittel: Entweder der Kunde zahlt oder es gibt eine Meldung, die sich negativ auf die Einschätzung der Kreditwürdigkeit auswirkt. Zudem mache die Verordnung keine Vorgaben zur Auskunftspflicht gegenüber den Verbrauchern. Das mache es schwer, unberechtigt schlechte Einschätzungen überhaupt zu entdecken. Auch Löschfristen gebe es nicht.
Schwachpunkt Verarbeitungszweck
Als weiteren Schwachpunkt sehen die Verbraucherschützer die Regeln zur Verarbeitung von persönlichen Daten. Da dürfe unter bestimmten Bedingungen der Verarbeitungszweck verändert werden. Und diese Bedingungen seien sehr vage. Statistische Analysen könnten zum Beispiel erlaubt sein, wie etwa die Auswertung von Google mit seinem Dienst Analytics.
Vzbv-Vorstand Klaus Müller skizziert in dem Zusammenhang das Beispiel Facebook: Das Unternehmen hatte vor drei Jahren untersucht, wie sich positive und negative Emotionen in Netzwerken ausbreiten. Dafür manipulierte das Unternehmen die Nachrichtenströme – ohne die Nutzer in die Teilnahme an dem Experiment einzuweihen.
Die Verbraucherschützer fordern daher, das deutsche Recht strenger zu fassen als die EU-Verordnung. Das ist in vielen Bereichen möglich, die Verordnung sieht dafür ausdrücklich Öffnungsklauseln vor. Das Verbraucherministerium gibt an, entsprechende Handlungsspielräume zu prüfen. „Dies geschieht insbesondere bei Profiling, Bonitätsauskünften und bei der Verwendung von Gesundheitsdaten“, sagte eine Sprecherin am Montag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett