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Kommentar Erschwerung SterbehilfeEin Stück Freiheit

Kommentar von Rebecca Maskos

Eine Willkommenskultur für Abhängigkeit von anderen ließe die Rufe nach aktiver Sterbehilfe leiser werden.

Hamburg 2008: Roger Kusch, ehemaliger Justizsenator und jetzt Sterbehelfer, zeigt das Video einer Frau, der er geholfen hat. Foto: dpa

W enn wir schon alle sterben müssen, dann bitte in Würde. So könnte man den Konsens der Deutschen zum Thema Tod und Sterben zusammenfassen. Was genau diese Würde sein soll bleibt nebulös.

Manche wollen „nicht an Apparaten hängen“, nicht „vor sich hin vegetieren“, möglicherweise noch „an Schläuchen“. Anderen reicht es auch schon, „tagtäglich auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein“, damit es für sie vorbei ist mit dem Leben in Würde. Oder sie finden es würdelos, „nicht mehr alleine einkaufen gehen zu können“ oder sich gar von anderen Menschen „den Hintern abwischen zu lassen“. So oder ähnlich liest und hört man es täglich in den Online-Kommentaren und Talkshows.

Mich lässt diese Vorstellung von Würde immer mit einem Kopfschütteln zurück. Als Rollstuhlfahrerin bin ich immer wieder auf die Hilfe anderer angewiesen und fühle mich deshalb alles andere als entwürdigt. Für andere ein Symbol des Scheiterns, in dem man landen könnte, bedeutet mein Rollstuhl für mich ein Stück Freiheit. Durch ihn komme ich überall hin – fast überall, solange es Fahrstühle und Rampen gibt.

Gute FreundInnen von mir mit Behinderung sind tagtäglich auf persönliche Assistenz angewiesen – andere wischen ihnen den Hintern ab, manche von ihnen hängen sogar an Schläuchen.

Bild: privat
Rebecca Maskos

40, ist Journalistin nund Behindertenrechts-Aktivistin. Sie studierte Psychologie in Bremen und Disability Studies in Chicago und lebt seit ihrer Geburt mit der Glasknochenkrankheit.

M., ein guter Freund von mir, wird mittlerweile auch tagsüber beatmet. Mit einem mobilen Gerät, das er an seinen Rollstuhl anschließen kann. Beatmet zu werden ist eine lästige Notwendigkeit für M., auf die er gerne verzichten würde – aber von Selbstmord habe ich ihn deshalb noch nie sprechen hören. Im Gegenteil. Er will leben, gerade auch mit den Schläuchen und mit der Assistenz und der Pflege, die ihm 24 Stunden am Tag seine Muskelkraft ersetzen.

Solche Perspektiven sieht und hört man selten in der Debatte über Sterbehilfe. Stattdessen begleitet sie seit Jahrzehnten ein unhinterfragtes Ideal von Autonomie und Selbstbestimmung, das die Anforderungen an moderne StaatsbürgerInnen widerspiegelt. Sie haben aktiv und produktiv zu sein, für sich selbst zu sorgen und wenn das nicht mehr geht, sollen sie sich völlig frei für ein kostensparendes Abtreten entscheiden. Ein großer Teil der Deutschen mit Interesse an Sterbehilfe will nicht zuletzt anderen nicht zur Last fallen.

Dieses Ideal lässt vergessen, dass Abhängigkeit von anderen, Bedürftigkeit und Schwäche zum Leben dazugehören – zum Beispiel in der Säuglingsphase, aber auch in der letzten Phase des Lebens. Eine Willkommenskultur für Abhängigkeit von anderen und eine neue Lesart von Würde hin zur Akzeptanz von Hinfälligkeit und einem Leben mit Apparaten ließen die Rufe nach aktiver Sterbehilfe leiser werden. Dann wird vielleicht auch endlich die Klage über die berechtigte Angst vor dem Spardiktat der stationären und fremdbestimmten Pflege im Minutentakt lauter.

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3 Kommentare

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  • Auch dieser Kommentar bevormundet, zumindest in meiner Wahrnehmung, Menschen, die selbst entscheiden wollen, wann sie ihr Leben beenden möchten.

    Es ist ja gut, dass die FreundInnen von Frau Maskos, trotz der offensichtlich substantiellen Einschränkungen diese Energie haben. Aber ich möchte selbst entscheiden wann und in welcher Situation ich sterben möchte. Das soll mir weder die Kirche noch die Politik vorschreiben.

  • Sch... Schlagworte! Was soll das sein "eine Willkommenskultur"?

     

    Ein Mensch ist mir willkommen – oder nicht. Mit manchen würde ich noch meinen allerletzten Kanten teilen und sicherlich die fette Weihnachtsgans. Ganz ohne dass mich die Kultur dazu verpflichtet. Weil ich sie einfach mag.

     

    Und dann gibt es die anderen. Denen würde ich nicht einmal einen abgenagten Knochen servieren wollen. Gegen eine Kultur, die mich dazu verpflichten wollte, solche Leute mit Brot und Salz zu empfangen, würde ich mich wehren, denke ich.

     

    In den diversen Kulturen gibt es sowohl für den Umgang mit willkommenen als auch für den mit unwillkommenen Gästen Regeln. In den USA z.B. pflegen Wohnungsbesitzer auf Einbrecher gleich scharf zu schießen. Stellt sich später heraus, dass da im Bad doch bloß die Freundin war, bedauern sie das öffentlich. In Deutschland ruft man (noch) eher die Polizei. Wenn die dann schießt, muss man sich wenigstens nicht umständlich dafür entschuldigen.

     

    Neben den Unwillkommens-Kulturen gibt es auch solche für erwünschte Gäste. Manche Leute stellen z.B. Hausschuhe hin, andere sagen, man soll die Schuhe anbehalten. Manche füllen einen mit Schnaps ab, andere schneiden ein Dutzend Äpfel auf. In manchen Familien läuft der Fernseher, wenn Gäste kommen, in anderen bleibt das Ding aus.

     

    Es gibt sie also schon, diese "Kultur". Sie ist nur ziemlich uneinheitlich. Die "Akzeptanz von Hinfälligkeit" z.B. ist bei den einen stark, bei anderen schwach ausgeprägt. Das ist es, was den Leuten Sorge macht: Sie haben keine absolute Sicherheit. Nur ist die auch nicht einzuklagen. Und eine Angst vorm "Spardiktat ..." hilft ganz alleine auch noch nicht, egal wie laut sie tönt.

     

    Was zählt, ist immer noch der gute Wille. Und der lässt sich auch kulturell nur schwer erzwingen. Wir glauben schließlich an die Individualität, nicht mehr an einen Einheitsgott. Wir fürchten lediglich die Konsequenz. Sehr kindisch, das, nicht wahr?

  • Ein sehr begrüßenswerter Kommentar, der hoffentlich ein bisschen frischen Wind in die einseitig dominierte Debatte bringen wird. Zu ergänzen wäre vielleicht noch, dass auch bei der Schmerztherapie heutzutage erheblich mehr möglich ist, als tatsächlich praktiziert wird.