Kommentar Erdoğan bei Trump: Völlig abgeblitzt
Von wegen „historisches Treffen“: Der türkische Präsident hatte mit seinem Weltpolitiker-Gehabe bei Donald Trump keine Chance.
E rdoğan trifft Trump – doch zumindest in den USA schaut niemand hin. Während in der Türkei seit Wochen über das bevorstehende Treffen mit dem neuen US-Präsidenten diskutiert wurde, ging die Begegnung in den USA im Trubel über Trumps Weitergabe geheimer Informationen an Russland völlig unter. Erdoğan wollte von dem Treffen die zukünftige Zusammenarbeit mit den USA, der Nato und dem Westen insgesamt abhängig machen, prallte aber an einem desinteressierten, schulterklopfenden Trump offenbar völlig ab.
„Er hat es ihm aber ins Gesicht gesagt“, versucht die türkische Regierungspresse heute den Erdoğan-Fans dennoch eine triumphale Botschaft zu vermitteln, weil der türkische Präsident in dem kurzen Gespräch mit Trump darauf bestanden hatte, dass die syrisch-kurdische YPG eine „Terrororganisation“ sei und deshalb nicht von den USA unterstützt werden dürfe.
Trump interessierte das nicht. Er redete von der türkisch-amerikanischen Waffenbrüderschaft im Korea-Krieg und befand, die Freundschaft mit der Türkei werde auch in Zukunft „unschlagbar“ sein. Offenkundig wusste Erdoğan nicht, was er damit anfangen sollte.
Denn alle Probleme bleiben ungelöst. Die US-Armee wird weiterhin mit den syrischen Kurden gegen den IS vorgehen, der angebliche Anstifter des Putsches vom letzten Juli, Fethullah Gülen, bleibt in seinem amerikanischen Exil weiterhin unangetastet und die US-Wirtschaft interessiert sich noch immer nicht für den türkischen Markt.
Kurden von Bodyguards krankenhausreif geschlagen
Das im wahrsten Sinne des Wortes handgreiflichste Ergebnis des Treffens bleibt, dass Erdoğans Bodyguards vor der türkischen Botschaft kurdische Demonstranten derart massiv zusammenschlugen, dass die US-Polizei eingreifen musste, um zu verhindern, dass noch mehr als ein Dutzend Kurden krankenhausreif geprügelt wurden.
Trotz aller propagandistischen Schützenhilfe der Erdoğan-treuen Medien in der Türkei wird es schwerfallen, das angeblich „historische Treffen“ mit Trump als Erfolg zu verkaufen.
Ähnlich ging es Erdoğan zuvor schon beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem russischen Alleinherrscher Wladimir Putin. Beide speisten den Türken mit ein paar warmen Worten ab, bei Putin reduzierte sich das Gespräch der „Weltpolitiker“ auf die Frage, ob die Türkei demnächst wieder Tomaten nach Russland exportieren darf. Die Hybris Erdoğans, der tatsächlich glaubte, als „Führer“ der muslimischen Welt mit Putin, Xi und Trump auf Augenhöhe verhandeln zu können, wurde schwer gedämpft.
Am kommenden Mittwoch wird Erdoğan zum Abschluss seiner Welttournee die EU-Spitzen Juncker und Tusk in Brüssel treffen. Vielleicht hat der türkische Präsident bis dahin wieder so viel politischen Realismus zurückgewonnen, dass er wenigstens in Brüssel zu retten versucht, was vielleicht noch zu retten ist. Bleibt er auf seinem „Weltpolitiker“-Sockel stehen, wird er die Türkei endgültig in die Isolation führen.
UPDATE 17.05., 15 UHR: In einer früheren Version dieses Textes hieß es der Angriff auf pro-kurdische Demonstranten habe vor dem Weißen Haus stattgefunden. Tatsächlich fand der Angriff vor der türkischen Botschaft statt.
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