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Kommentar ErbschaftsteuerDie Wirtschaftslobby bestimmt

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Das Reförmchen der Steuer ist mutlos. Die Koalition unternimmt keinen Versuch, das Auseinanderdriften von Arm und Reich zu verlangsamen.

Die Interessen der Superreichen werden geschützt – so kann ihr Sparschwein noch voller werden. Foto: dpa

D er Großen Koalition fehlt der Mut, die irrwitzigen Privilegien schwerreicher Unternehmenserben zu beschneiden. Wie groß das Versagen ist, zeigt ein Beispiel. Eine Tochter, die von ihren Eltern Aktien im Wert von 5 Millionen Euro erbt, muss knapp 900.000 Euro Erbschaftsteuer zahlen. Der Staat beansprucht also einen Teil ihres leistungslos erworbenen Reichtums, um Schulen, Straßen oder andere Aufgaben des Gemeinwohls zu finanzieren. Dieser Grundsatz ist finanzpolitisch sinnvoll und gerecht denen gegenüber, die nicht in den Genuss des Erbens kommen.

Anders sieht es bei der Tochter einer Unternehmerdynastie aus. Sagen wir, sie erbt das Zehnfache, einen Firmenanteil im Wert von 50 Millionen Euro. Diese Tochter zahlt keinen Cent Erbschaftsteuer, sofern sie die Arbeitsplätze ein paar Jahre lang erhält. Jetzt ist klar, dass das auch in Zukunft so bleiben wird: Die Koalition ignoriert eine geradezu groteske Ungerechtigkeit im deutschen Steuerrecht. Stattdessen beschränkt sie sich auf minimale Korrekturen, die die Interessen der Superreichen schützen. Die Reform, die stolz präsentiert wird, ist eine Scheinreform.

Sie könnte rein formal den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügen, das den Gesetzgeber mehrmals aufforderte, die Erbschaftsteuer zu ändern. Aber sie unternimmt keinen Versuch, das Auseinanderdriften von Arm und Reich in Deutschland zu verlangsamen. Solch ein Schritt war übrigens auch nie geplant. Für die SPD ist die Neuerung, die keine ist, eine Niederlage. Schließlich treten die Sozialdemokraten zumindest auf dem Papier für mehr Verteilungsgerechtigkeit ein.

Dem mutlosen Reförmchen der Koalition ging ein monatelanger Proteststurm mächtiger Wirtschaftsverbände voraus. Jene haben den Kampf gewonnen, ohne dass ihn die Koalition je ernsthaft begonnen hätte. Insofern ist die Posse um die Erbschaftsteuer auch ein trauriger Beleg dafür, wie sehr Wirtschaftslobbys die Politik von Union und SPD bestimmen.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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3 Kommentare

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  • Irgendwie habe die Vermutung der Gabriel ist seit einiger Zeit auch mit diesem Schuhmodell "Guido" unterwegs. Die mit der 18%-Sohle ... nur will der eben aus anderer Richtung an diese Marke herankriechen.

  • "Die Koalition unternimmt keinen Versuch, das Auseinanderdriften von Arm und Reich zu verlangsamen." (Zitat)

     

    Das tut sie nur nicht, dass eint sie sogar politisch. Der Kerngedanke der Agenda 2010 (SPD) war doch: Wer reich ist, war fleißig und muss mehr wert sein, als wer arm, krank, arbeitslos oder schlecht-verdienend ist. Wer also ein Unternehmen hat oder eins bekommen kann, der ist eben mehr wert, als jemand der zu einer Kfz-Werkstatt oder einem Büro morgens geht. Der ist eben weniger wert und da muss der Staat natürlich auch besteuern, sonst würde er ja Leistung abwürgen.

     

    Das ganze hört sich wie die FDP in den 1990ern an? Ja, stimmt, die SPD fand die Programmatik eben richtig gut und hat entsprechend auch bei der Wählergunst abgespeckt: Heute müssen sie so eine Vision eben mit der CDU und CSU machen.

     

    Die nennen das aber nicht Agenda und die haben auch nicht so viele Wähler deswegen verloren. Tatsache ist doch, dass in Deutschland die Mittelklasse sich selber Regierungen wählt, die anschließend die Daumschrauben an genau diese Klasse legt. Und die Reichen müssen sich endlos freuen: Täglich ist hier Weihnachten und es regnet Geschenke.

  • Danke, Ulrich Schulte, für die klaren Worte. - Nur die Überraschung über den Ausgang dieser "Scheinreform" kann ich nicht teilen: Die angeblichen "Volksparteien" CDU/CSU und SPD machen Politik im Interesse der Reichsten. Sie unterscheiden sich nur noch in der Kosmetik (und selbst da gibt's Annäherungen).