Kommentar Entwicklungshilfe: Schönrechnen können wir

Nach den OECD-Zahlen erreicht Deutschland das lang gesetzte Ziel für Entwicklungshilfeausgaben. Ganz ohne Mogelei läuft das aber nicht.

Sieben nackte Menschen stehen an einer weißen Wand, mit dem Rücken zum Betrachter. Auf ihren Hintern steht gemalt: 0,7% Oxfam

Oxfam-AktivistInnen protestieren 2010 in K1-Manier für die Einhaltung der 0,7 Prozent Foto: reuters

Selbst das Bundesentwicklungsministerium klingt nicht gerade euphorisch. Dabei hat Deutschland endlich ein seit 1970 bestehendes Ziel erreicht: Die Entwicklungshilfeausgaben belaufen sich nach den vorläufigen OECD-Zahlen 2016 endlich auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Diese Ziffer gilt als Messlatte für einen fairen Beitrag für Entwicklungszusammenarbeit – den aber nur die wenigsten Länder je erreichten.

Aber: Wie zufrieden darf man mit einem Ziel sein, das zu erreichen man fast 50 Jahre und Zahlenspielchen gebraucht hat? Denn wer sich die sogenannten ODA-Zahlen ansieht, wird erstaunt sein, was alles als Entwicklungshilfe gilt: So besteht rund ein Viertel der deutschen Entwicklungshilfeausgaben aus Geldern für Flüchtlingsunterbringung und -versorgung – in Deutschland. Rechnete man diese Kosten heraus, würde die Quote auf ein Niveau von 0,52 Prozent zurückfallen.

Zunächst mal ist es lächerlich, dass die OECD solche Rechentricks überhaupt erlaubt. Schließlich sollen die Zahlungen der Entwicklung von Entwicklungsländern zugutekommen, nicht den reichen Gebern, die sich dann für das erreichte Ziel auch noch als Wohltäter feiern können.

Außerdem macht sich gerade Deutschland lächerlich mit seinen Rechenkünsten: Zuletzt schlug Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in der Diskussion um das 2-Prozent-Ziel bei Verteidigungsausgaben vor, zum Beispiel auch humanitäre Hilfe zählen zu lassen. Vielleicht hier auch noch ein paar Flüchtlingskosten, damit das Ziel auch bloß erreicht wird?

Glaubwürdiger wäre es, wenn man die doppelte Rechnung bleiben ließe. Möglich ist das. Bis 2015 etwa ließ der Staat die Flüchtlingsausgaben in die Quote nur moderat einfließen. Bleibt alles beim Alten, kann Deutschland seine Position als Musterbeispiel bald wieder aufgeben: Sinken die Ausgaben für Flüchtlinge wie vom Finanzministerium erwartet, werden auch die 0,7 Prozent bald wieder gerissen.

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*1985, seit November 2017 Redakteurin für europäische und globale Politik im taz-Auslandsressort. Hat seit 2014 immer mal wieder für die taz gearbeitet, meistens für das Ressort Wirtschaft und Umwelt, und schreibt gern über die EU und über Entwicklungspolitik.

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