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Kommentar Edathy und „Spiegel“Unangenehme Berührung

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Im „Spiegel“ wehrt sich Sebastian Edathy gegen Kinderpornografie-Vorwürfe. Das Problem: Vieles von dem, was er sagt, wird nicht hinterfragt.

Unmoralischer Deal mit dem „Spiegel“? Ex-Abgeordneter Sebastian Edathy. Bild: dpa

Nacktheit und Sexualität sollte man schon noch unterscheiden können. Nacktheit ist zudem nicht an sich pornografisch.“ Sagt Sebastian Edathy. In einem Interview mit dem Spiegel. Da hat der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete, gegen den wegen des Besitzes von kinderpornografischen Materials ermittelt wird, recht. Und trotzdem lässt einen der Text unangenehm berührt zurück.

Man fragt sich, ob der Mann sich mit seinen Aussagen nicht eher um Kopf und Kragen redet, anstatt sich und seine Situation zu erklären. Und man fragt sich auch, ob das Nachrichtenmagazin für das Gespräch mit Edathy, der sich an einem geheimen Ort in Südeuropa aufhält, nicht einen unmoralischen Deal eingegangen ist: Du lässt uns zu dir, dafür versichern wir dir, dass du Dinge sagen darfst, die wir nicht noch einmal hinterfragen.

So darf Edathy seinen Fall unerwidert auf die Ebene der Kunstgeschichte heben. In der habe nämlich „der männliche Akt, auch der Kinder- und Jugendakt“ eine „lange Tradition“. Und er darf unwidersprochen erzählen, dass ausgerechnet jener Computer, mit dem er die „Nacktfotos“ bestellt haben soll, seiner „Erinnerung“ nach in einem Zug gestohlen worden sei.

Das klingt alles so hanebüchen, dass einem der Atem stockt. Wer verlässt mal kurz den Zug – also nicht nur das Abteil, um vielleicht auf die Toilette zu gehen – und lässt sein Laptop auf dem Platz liegen? Tut das jemand, der qua Amt mit dem Schutz von Unterlagen (und damit auch von Rechnern) bestens vertraut sein dürfte?

Edathy bestreitet nach wie vor, pädophil zu sein. Das darf er, seine sexuellen Neigungen sind tatsächlich seine Privatsache. Ebenso darf er sich weiterhin als Opfer inszenieren, „als verfemt“, als „Aussätziger“. Aber darf er auch Verständnis erwarten, wenn er sich derart verschwiemelt und verschämt ausdrückt? Wohl kaum.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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21 Kommentare

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  • Es ist aber nun mal ein Unterschied, ob Kinder am FKK-Strand oder mit einem Penis im Mund abgelichtet werden. Das kann man ja wohl nicht leugnen.

    • @Viccy:

      finden Sie, ja? woher kommt denn diese bilder-kenntnis?

      • @christine rölke-sommer:

        Sehen Sie keinen Unterschied zwischen Nackt- und Pornobildern? Bei dem Differenzierungsvermögen, das Sie gemeinhin an den Tag legen, kann das doch nicht Ihr Ernst sein.

      • 8G
        889 (Profil gelöscht)
        @christine rölke-sommer:

        aus dem Umstand, dass E. keine (strafbare) Pornografie gekauft hat?

        • @889 (Profil gelöscht):

          ich weiß nicht, was genau Edathy gekauft hat. außer einer reichlich verdrucksten staatsanwaltlichen erklärung, die wenig geeignet war, das angebot zurückzunehmen, die bilder zu zeigen, ist mir dazu nichts bekannt geworden. stimmt nicht ganz ... die einordnung durchs BKA als strafrechtlich irrelevant hätte ich fast vergessen.

          was genau das ist, wissen die wenigsten, ich auch nicht. ich finde es daher reichlich abwegig, aus unbekanntem gegensatzpaare zu konstruieren.

          will sagen: auch das Edathy-interview scheint mir wenig geeignet, feststellungen darüber zu treffen, welche bilder wie+was und womöglich gar strafbar sind.

  • was soll das werden? ein schauprozess?

    hat man den daraus, wie der letzte in die hose ging, nichts gelernt?

  • IW
    Ich weiß es

    "....Wer verlässt mal kurz den Zug – also nicht nur das Abteil, um vielleicht auf die Toilette zu gehen – und lässt sein Laptop auf dem Platz liegen? "

     

    Der extreme Kettenraucher sebastian Edathy. Einigen auch als der Schornstein vom Paul-Löbe-Haus bekannt.

  • Eine Bemerkung zu Edathy`s Aussage das Nacktheit an sich keine Pornographie ist:

     

    Das mag sein. Schon die Nationalsozialisten haben den `nakten Körperkult` für sich beansprucht, in der sie eine falsche Ästethik des perfekten Arirs propagierten.

     

    Aber ich glaube nicht dass das Edathy gemeint hat. Was meinte er genau? Das die zur Schausstellung nackter Kinder keine Pornographie sei, sei mal dahingestellt. Meines Erachtens ist die Abbildung nackter Körper, ob Kinder oder Erwachsener eine Grenzsache, einerseits kann man es als Kunst betrachten,andererseits ist die Pornographie an sich ein Zweig der Aktkunst mit der Darstellung eindeutiger sexueller Handlungen.

     

    Bloss Kinder nackt darzustellen ist mehr als grenzwertig, da sich Kinder ihrer `sexuellen Anziehungskraft` auf einige Betrachter nicht bewusst sind und andererseits durch die Darstellung alleine schon sexuell ausgebeutet werden. Klar sind da die `berühmten Familienfotos` wo die Kinder nackt am Badestrand spielen. Für mich schon ein absoltues `No-Go` da im heutigen Zeitaler des Internets niemand weiss, wo diese `Bilder` hingehenaber ungewollt in falsche Hände geraten.

     

    Wenn aber Edathy behauptet, eine Hetzkampagne gegen ihn gestartet worden zu sein,dann frage ich mich, wieso hat der Kerl bewusst mit Kreditkarte solches Material geordert? Nur um der Ästethik nackter Kinderkörper oder der generellen Körperkult-Verehrung?

     

    Warum ist Edathy nach der Aufdeckung dieser Tatsache ins Ausland geflüchtet und hat alle `Beweismittel` offensichtlich vernichtet? Warum stellt sich Edathy nicht den Behörden und räumt alle Vorwürfe aus der Welt anstatt ganz aufreisserisch Ferninterviews mit dem Spiegel abzuhalten?

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Eric Blair:

      Warum sollte er sich irgendwelchen Behörden stellen, wo ihm doch gar keine Straftat vorgeworfen wird?

       

      Seltsam, was hier alles aufgefahren wird, um ihm doch noch was ans Zeug zu flicken...

  • wie fast alle sezenen, die ein wenig kriminalisiert werden, was einen vorherigen verhetzungsprozess i nstitionalisiert, ist auich doe sogenannte kinderpornoszene stark rechtsradikaler unterwanderungsgefahrausgetett. dawurd anlässlich von den legendäre n kondermorden in belgien deutlich. selbstverständlich ist daauch de geheimdienst aktiv,ein geheimfirenstlre wurde j aauch wegeb ähnliche bestellungen

    "geschasst". herr edathy, wen eransatzweeiseden geheimdienst kontrollieren wollte,

    hält sicvh ebeb ein wenigaufdem lufenden in der erlaubten szene.

     

    1) ermitllungen sind ganz ganz extrem unterschgwellig

    2) können sie selbstg nach jahren ganz einach zum rücktritt durch skandakisierung genutzt werden.

     

     

    hinzu kommt die ächtung von kinder und jugendlichersexuaität, als "fait accompli", obwohl das nach jederman bekannten erkenntnbissen völlig abstrus ist.

     

    die verteidigung mit gebremstem schaum, wie im artikel, erklärt sich ewohl daraus, da ein sPD abgeordnetr vierl zuviel repressives gemacht haben muss.

  • Kann nicht auch "nur" die Wiedergabe entlarvend sein?

  • M
    Mark

    "Das klingt alles so hanebüchen, dass einem der Atem stockt.“ Exakt!

     

    Anzumerken wäre, dass SPON alle Äußerungen Edathys ja nicht nur kommentar- und widerspruchslos wiedergibt, auch Leser-Kommentare sind auf SPON nicht möglich. Wohlweislich. Danke, dass es die taz.de gibt :-)

     

    Ein kleiner Kommentar zu Herrn Edathys Äußerungen und „Haltung“:

     

    Wie kann ein Mann so blind und unaufrichtig sein? Die Bestellungen dieses "Materials" mit "kunsthistorischem Interesse“ in Zusammenhang zu bringen, zeugt davon, dass bei diesem Mann scheinbar endgültig mehrere Sicherungen durchgebrannt sind. Und dann die bösen Buben aus der rechtsextremen Szene - ja die gibt es dort sicherlich die bösen Buben, ohne Zweifel - als Grund dafür zu nennen, nicht nach Deutschland zurück zu können, um die Blumenkästen zu gießen. Wir haben großes Mitleid. Mit den Blumen.

     

    Wenn man bei einem Online Händler, der in kriminelle Machenschaften der widerlichsten Art verstrickt ist, etwas bestellt, ist das eben kein „legales“ Agieren mehr, für das man noch Respekt einfordern sollte. Und wenn man bestellt hat, denkt man da nicht zu allererst einmal daran, was es für die wirklichen Opfer bedeutet, wenn solche Geschäftsaktivitäten unterstützt werden? Edathy sieht aber nur ein Opfer: sich selbst. Aufrichtigkeit, Bedauern, Reue - ohne Blick auf Gesetzesparagrafen und ohne Anschuldigung Dritter - dafür wäre es endlich Zeit.

  • ID
    In dubio pro reo

    Ehrlich gasgt - ich verstehe nicht, worum es in diesem Kommentar konkret gehen soll. Kritik an den Kollegen von Spiegel? Oder der Versuch, Zweifel an Edathy's Aussagen zu formulieren? Ingeasmt schmimmert m.E. eine längst abgeschlossene Vorverurteilung aus dem Text oben.

     

    Fr. Schmollack hätte natürlich auch diesen Absatz zitieren

    könen: "Ich muss und werde mich für mein Privatleben nicht entschuldigen oder rechtfertigen. Niemand, der sich im privaten Bereich rechtskonform verhält, muss das. Der Schutz der Privatsphäre ist elementar für einen Rechtsstaat." Dem kann man eigentlich nur zustimmen.

     

    Diesen Artikel des Bundesrichters Thomas Fischer kann ich wärmstens empfehlen:

     

    http://www.zeit.de/2014/10/staatsanwaltschaft-fall-edathy

  • F
    Fleischwolf

    In dem Spiegel-Artikel steht kein Wort über den Verbleib eines Laptops. Und in der Tat steht es dem Journalisten frei, zu widersprechen oder Dinge unwidersprochen abzudrucken.

    Fakt ist auch, dass rechtsstaatliche Prinzipien seitens der Staatsanwaltschaft und der SPD, allen voran Herrn Gabriel, mit Füßen getreten werden. Somit hat Edathy durchaus Anlass, sich als Opfer einer unfairen Behandlung zu sehen.

  • MD
    martin de

    Daß sich Edathy "verschwiemelt und verschämt ausdrückt", ist ja wohl lediglich die Interpretation der Autorin. Und es ist doch nicht zwingend notwendig, daß der Spiegel-Interviewer die Aussagen Edathys hinterfragt. Das kann man den Lesern überlassen, was sie von seinen Aussagen halten.

     

    Wenn früher ein Knabe für Bildnis eines Malers Model stand, dann ist das durchaus vergleichbar mit Fotografien von David Hamilton oder weniger bekannten Fotografen wie im Fall Edathys.

     

    Die Absicht hinter den Gemälden aus früheren Zeiten oder den Fotografien eines Hamilton oder den legalen Fotos der kandadischen Firma ist jedenfalls immer die gleiche, wenn wir ehrlich sein wollen. Der männliche Betrachter will sich ergötzen.

  • 5
    56826438

    SPON hat zum Interview keine Diskussionsmöglichkeit, wieso nicht ?

  • Was soll an dem "Deal" unmoralisch sein? Hätten die Reporter vom Spiegel zu eifrig nachgefragt, hätte Edathy das Interview nicht abgenommen und es wäre nicht erschienen. Es gibt jedoch keine Schutzpflichten für Journalisten gegenüber von ihnen interviewten Personen. Da kann man das ganze doch ruhig mal laufen lassen und zusehen, wie sich jemand um Kopf und Kragen redet.

    • @Cerberus:

      Auch wenn sich meiner Meinung nach Edathy ebenfalls um Kopf und Kragen redet, so war dies sicherlich nicht seine Intention und ich glaube auch nicht, dass es in der breiten Masse unbedingt so ankommt. Im Gegenteil hat er damit ja sehr gut an seinem Mythos des Justizopfers und unschuldig verfolgten gestrickt. Und dass so etwas nicht hinterfragt wird finde ich journalistisch schon verwerflich.

  • G
    gast

    nur mal angenommen, jemand mit pädophilen neigungen ist sich dessen bewußt und versucht mittels nacktbldern (und nur diesen!) auf der legalen seite zu bleiben, solch ein verhalten ist immerhin besser als ein verleugnen, verschweigen und dem was daraus evtl. folgen könnte...

    ob das auf herrn edathy auch zutrifft, weiß ich nicht, aber möglich ist es!

    der fall edathy ist nicht einfach und moralisch zu beurteilen noch viel schwerer, weil er an grenzen rührt von denen man lieber gar nichts wissen will, dennoch er ist nicht verurteilt und kaum einer weiß was wirklich sache ist. auch das von der autorin angeführte argument, niemand ließe seinen laptop unbeaufsichtigt liegen, gegen diese absolute schlußfolgerung kann man einfach mal das normale leben anführen,

    im gegenzug ließe sich auch argumentieren niemand ließe seinen laptop, mit belastenden material darauf unbeaufsichtigt liegen... touche

    es sei denn man unterstellt diese geschichte sei komplett erfunden, wie wahrscheinlich die autorin, dann hat man sein urteil aber schon gefällt...

    wer weiß was stimmt? die paar fakten über die medien vermittelt, lassen kein urteil zu. das ist weder für noch contra edathy!

  • G
    Gast

    Danke, Frau Schmollack, für diesen Kommentar! Das, was der SPIEGEL hier gemacht hat (unkritische Veröffentlichung), ist nicht nur "unmoralisch", es hat auch mit journalistischen Grundsätzen nichts zu tun. Interessant übrigens, dass bei dem SPON-Artikel die Kommentarfunktion ausgeschaltet ist. Also: Der SPIEGEL lässt sich darauf ein, nicht kritisch nachzufragen UND die Leserinnen und Leser sollen das auch nicht!

     

    Herrn E.s Selbstdarstellung und Argumentation weisen starke Parallelen zur Selbstdarstellung und Argumentation von Pädophilen bzw. pädosexuell Interessierten auf. Das fängt mit dem Selbstempfinden als gesellschaftliches "Opfer" an und hört bei dem Verweis auf die "Antike" und die "Kunst" noch nicht auf. Interessant ist auch folgendes Merkmal: Im Gegensatz zum Inzesttäter (Familie) möchte sich der Pädophile nicht verstecken, er möchte Pädophilie zum Gegenstand öffentlicher Diskussion machen (Rijnaarts, 1988). Auch Herr E. suchte jetzt wieder das Licht der Öffentlichkeit, nimmt spitzfindige Unterscheidungen vor und stllt sich als Opfer dar.

    • S
      Skeptiker
      @Gast:

      Das die kommentarfunktion gesperrt wurde würde ich eher auf die foltereskapaden von interessierten Gruppen zurückführen; aber inhaltlich muss ich auch einhaken...

      'Opfer' ist er in der tat, und zwar der Kommentatoren (ebenjene jetzt ausgeschlossenen), außerdem ist das Argument 'antike'vom argument 'Kunst' zu unterscheiden. 'Antike' ist blöd (in Sparta wurden 'schlechte Menschen' auch ausgesetzt, etc blabla), das argument 'Kunst' ist wesentlich schwieriger zu bewerten. Da kommt es auf Glaubwürdigkeit an; "a hell to find out". Viel Spaß, da zu einem Urteil zu kommen.