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Kommentar Edathy-U-AusschussDie da oben unter sich

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Der Edathy-U-Ausschuss sorgt dafür, dass die Politik weiter an Vertrauen verliert. Das liegt nicht an den Mitgliedern, sondern an den Zeugen.

Erinnert sich noch wer? Hans-Peter Friedrich, ehemaliger Innenminister. Foto: dpa

D er Aufwand ist riesig. 43 Sitzungen hat der Edathy-Untersuchungsausschuss inzwischen hinter sich, knapp 60 Zeugen sagten aus, die Akten füllen 750 Ordner.

Am Ende ist aber der ganze Aufwand umsonst: Nicht nur, dass wohl für immer verborgen bleibt, wer Sebastian Edathy vor drohenden Ermittlungen warnte. Ein Fall wie der des ehemaligen SPD-Abgeordneten könnte sich auch jederzeit wiederholen.

Bei allen Widersprüchen sind sich die Zeugen aus der großen Koalition nämlich in einem Punkt einig: Hans-Peter Friedrich habe richtig gehandelt. Der damalige Innenminister habe der SPD-Spitze geradezu von den drohenden Ermittlungen gegen Edathy erzählen müssen. Denn hätten ihm die Sozialdemokraten ein Regierungsamt gegeben, wäre er erst als Staatssekretär über die Kinderporno-Affäre gestolpert, der Schaden für die Politik wäre immens gewesen.

Was für ein Unsinn. Die Politik hat Vertrauen verloren, gerade weil Friedrich plauderte. Weil die Information über drohende Ermittlungen nicht im zuständigen Ministerium blieb. Weil ein Regierungsmitglied unbedingt Dienstgeheimnisse an die Opposition verraten musste. Weil Edathy eine Warnung erhielt. Weil er Beweismittel rechtzeitig beseitigen konnte. Weil ihm das Landgericht Verden wohl nur deshalb keine Straftat nachweisen konnte.

In der Bevölkerung erweckt diese Kette einen fatalen Eindruck: Dass die oben machen könnten was sie wollen, da sie über dem Gesetz stünden. Dass Politiker noch so viele Probleme mit der Justiz anhäufen könnten: Am Ende kämen sie besser weg als jeder Normalbürger.

Der Untersuchungsausschuss hätte diesem Eindruck entgegenwirken können. Seine Mitglieder haben sich tatsächlich Mühe gegeben. Gegen das schräge Rechtsempfinden ihrer Zeugen kamen aber auch sie nicht an.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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7 Kommentare

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  • In der SPD gibt es heute Leute, die können telefonieren, ohne Worte zu wechseln. Bislang kannte man das eigentlich nur von Ausserirdischen im Science-Fiktion-Roman. Ich mach mir allmählich Sorgen.

  • Vorweg - Danke für das feine Fotto -

    von kleinblindieFriedrichs -

    dem dereinst HäwelmannIM - jetzt ex-.

     

    &Na bitte -

    "…Bei allen Widersprüchen sind sich die Zeugen aus der großen Koalition nämlich in einem Punkt einig:

    Hans-Peter Friedrich habe richtig gehandelt. …" - geht doch!

     

    Ihr tazler seid aber auch schwer

    altfränkisch-nachtragend.

    Jetzt hat dieser Franke so ungewöhnich wie überraschend - zeugenbeweislich abgesichert - es schriftlich verbrieft -

    Daß er einmal - dieses einmal halt -

    was auch immer genau - aber eben doch - irgendwas in seinem Amt - welchem noch mal? - egal - jedenfalls richtig gemacht hat/haben soll.

     

    Ja - und ihr - undankbar wie ihr's seid -

    glaubt jetzt - jeder Politiker - die da oben - könnten sich deswegen alles herausnehmen.

     

    Ja wie?

    kleinFriedrich-ex als Berufungsfall -¿

    Damit ist der doch mit Verlaub schon geistig komplett überfordert!

    Also bitte - die Kirche in Franken lassen.

    "Die sollen da ihre Arbeit machen"

    Das können wir - wie auch richtig

    gesagt - verlangen.

     

    (ps & was war noch mal mit Edathy&Schlapphüte?)

  • Hallo taz....Falls Sie das nicht veröffentlichen bitte ich Sie trotzdem auch so einen Blickwinkel mal zuzulassen, ich bin nicht festgelegt auf eine These, möchte nur immer wieder auch andere Sichtweisen noch eröffnene.....

    Thomas de Maiziere war auch in Sotschi, bei den olympischen Spielen und da irritiert mich Folgendes: Herauskopiert aus folgenden Artikel: http://www.taz.de/Putin-warnt-Schwule-vor-Olympia/!5050554/ : Nun sagte er (Putin) am Freitag zu Freiwilligen, Schwule sollten sich bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi willkommen fühlen - allerdings müssten sie „Kinder in Ruhe lassen“. Hier noch ein Video dazu: https://www.youtube.com/watch?v=OWyyL7zTTkc

    Eine Helferin wollte wissen, wie ausgerechnet die oft von Homosexuellen als Toleranz-Symbol benutzte Regenbogenfahne auf die Uniform der Freiwilligen komme. Putin antwortete, er habe die Anzüge nicht entworfen.

    Noch ein Ausschnitt aus: http://www.taz.de/Russland-weitet-Adoptionsverbot-aus/!5048620/:

    Bislang galt in Russland nur ein grundsätzliches Adoptionsverbot für US-Bürger. Moskau hatte das Verbot als Reaktion auf den von Washington verhängten Magnitsky Act, ein Einreise- und Kontoführungsverbot für russische Beamte, die der Korruption verdächtigt werden, eingeführt.

    Ich frage mich, ob hier auch mit Kindern gehandelt wird und indirekt springt mich auch das Thema Pädophilie an.

  • Teil 2

    Michael Hartmann bestritt die Aussage Edathys komplett, verwickelte sich aber in Widersprüche. Mehrere Zeugen stützten die Aussagen von Sebastian Edathy, die Ausschussmitglieder stellten die Glaubwürdigkeit Hartmanns in Frage. Hartmann verweigerte anschließend weitere Aussagen vor dem Ausschuss.

     

    Interessanterweise begegneten sich Hertinger, Hartmann und Ziercke auf einem internationalen Seminar an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster und zwar am 17.10. 2013, also an dem Tag als die SPD-Spitze von Friedrich informiert wurde, dass Edathy auf der Kundenliste der kanadischen Firma entdeckt wurde. Hertinger leitete die Veranstaltung, Hartmann referierte zu dem Thema “Konsequenzen aus den Erkenntnissen des NSU-Untersuchungsausschusses”.

  • Teil 1:

    ich habe den Inhalt eines Kommentars eines anderen Kommentators kopiert: Hier der Link dazu: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/sebastian-edathy-spd-untersuchungsauschuss?red_suggested=true#comments

     

    Sebastian Edathy selber erklärte am 18. Dezember 2014 vor dem 2.Untersuchungsausschuss, seit November 2013 über strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn wegen der Bestellungen von Nacktaufnahmen informiert worden zu sein. Der Informant sei sein Parteigenosse Michael Hartmann gewesen, der wiederum von Jörg Ziercke ins Bild gesetzt worden sein will. Der rheinland-pfälzische LKA-Präsident Hertinger berichtete vor dem selben Ausschuss, Hartmann habe ihn mehrfach telefonisch zum Ermittlungsverfahren gegen Kunden des kanadischen Filmhandels Azov im Rahmen der Operation Spade befragt.

  • Edathy war der schärfte Frager im NSA-Untersuchungsausschuß und wurde mit "Beweisen"kaltgestellt, die genau diese Dienste lieferten; und die am Ende nicht mal strafbar waren. Die Aufarbeitung, wer nun wen über was informiert hat, ist lediglich ein Ablenkungsmanöver, weil sich nach diesem "Warnschuß" an die Aufklärer unter den Volksvertretern kaum noch ein Abgeordneter traut, irgendeinem Geheimdienst auf den Zahn zu fühlen.

    • @robby:

      Auf eine ansprechende Verschwörungstheorie im Falle Edathy hatte ich noch gewartet, Gott sei Dank hat das nun ein Ende. Zwar hat noch nicht mal Edathy selbst auch nur ansatzweise einen solchen Erklärungsansatz, andererseits: was weiß der Mann schon.