Kommentar EU und Snowden: EU gleich NSA
Snowden bekommt von der EU nichts: kein Asyl, nicht mal eine Anhörung. Denn die europäischen Geheimdienste paktieren mit der NSA.
E dward Snowden und die NSA-Affäre - das war eine Steilvorlage für Europa. Am Beispiel des amerikanischen Whistleblowers hätte die EU endlich einmal beweisen können, dass sie es ernst meint.
Mit den Menschenrechten, mit Meinungsfreiheit und Schutz vor Verfolgung, aber auch mit der Unabhängigkeit vom „Big Brother“ USA. Justizkommissarin Viviane Reding sah sogar die Zeit für eine europäische Unabhängigkeits-Erklärung gekommen.
Und nun? Nichts. Kein Asyl für Snowden, keine Schutzgarantien, wahrscheinlich auch keine Anhörung im Europaparlament oder im Bundestag. Im Abschlussbericht des Europaparlaments zur NSA-Affäre wird Snowden nicht einmal mehr erwähnt.
Nach der EU-Kommission ist auch das Europaparlament eingeknickt. Statt der Unabhängigkeitserklärung lieferte die EU eine Ergebenheitsadresse.
Wie konnte es dazu kommen? Das Hauptproblem sind die EU-Staaten, deren Geheimdienste mit der NSA unter einer Decke stecken. Sie waren von Anfang nicht an einer Aufklärung interessiert, schon gar nicht an Sanktionen.
Kanzlerin Merkel kommt dabei eine besonders unrühmliche Rolle zu. Trotz der „Merkelphone“-Enthüllungen hat sie alle Versuche, die USA zu strafen und Snowden zu helfen, torpediert.
Aber auch das Europaparlament hat versagt. Obwohl es schon einmal an einer ähnlichen Affäre gescheitert war – dem Echelon-Abhörskandal der 1990er Jahre – weckte es riesige Erwartungen, die am Ende nicht zu erfüllen waren. Ein Besuch Snowdens in Brüssel war von vorneherein unrealistisch, ein Asyl in Europa unwahrscheinlich. Schließlich wollte kein EU-Staat den Amerikaner aufnehmen, und die EU selbst kann kein Asyl gewähren.
Das ist allerdings noch lange kein Grund, Snowden nun gar nicht mehr zu erwähnen, und ihm überhaupt nicht mehr zu helfen. Ohne ihn wäre die NSA-Affäre nie ans Tageslicht gekommen, er ist längst zum Symbol für einen neuartigen, „digitalen“ Freiheitskampf des 21. Jahrhunderts geworden.
Dass er nun ganz aus dem NSA-Bericht des Parlaments herausflog, ist die Schuld der Sozialdemokraten, die wieder einmal Staatsräson vor Zivilcourage gesetzt haben. Die ganz große Koalition in Berlin in Brüssel war ihnen offenbar wichtiger als die eigene Glaubwürdigkeit.
Wenigstens soll die EU nun Möglichkeiten zum besseren Schutz von Whistleblowern untersuchen. Das Parlament fordert auch, einige Abkommen mit den USA auszusetzen. Doch Snowden wird dies nichts nützen, und den NSA wird es nicht beeindrucken.
Was bleibt, ist eine zutiefst abhängige, gedemütigte EU. Und ein Parlament mit Beißhemmung und beschränkter Haftung.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!