Kommentar EU und Balkankrise: Zu lange weggeschaut
Die EU und die Kanzlerin haben begriffen: An der Südostflanke Europas brauen sich gefährliche Entwicklungen zusammen.
W enn die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung der Balkanpolitik breiten Raum gewährt und das Thema auf dem EU-Gipfel erörtert werden soll, dann hat man endlich verstanden, dass sich an der Südostflanke Europas gefährliche Entwicklungen zusammenbrauen. Und dass man etwas unternehmen muss.
Zu lange haben Brüssel und auch Berlin nur zugeschaut. Zwar flossen Milliarden in die Entwicklungsprojekte auf dem Balkan, doch die Erfolge der kostspieligen Eulex-Mission in Kosovo und der EU-Präsenz in Bosnien und Herzegowina sind mehr als bescheiden.
Zwar ist die Europäische Union und auch Deutschland an vielen Projekten zur Müllbeseitigung, an Kläranlagen, an dem Aufbau von Wind- und Sonnenenergie beteiligt, doch die Bevölkerungen honorieren diese schlecht kommunizierten Anstrengungen kaum. Politisch profitieren andere Akteure, die außer nationalistischen Ideologien, Führerkult und Machtpolitik kaum etwas anzubieten haben.
Nach dem Putschversuch in Montenegro im Oktober des vergangenen Jahres hat es den Verantwortlichen endlich gedämmert, dass Russland jederzeit Feuer an die Lunte Balkan legen kann. Aber nicht nur das: Die Abwanderung von jährlich Hunderttausenden von ausgebildeten Fachkräften muss aufgehalten werden, wenn die Region wirtschaftlich und politisch stabilisiert werden soll.
Das Versprechen der EU von Thessaloniki 2003, jeder Staat des Westbalkans könne in die Europäische Union eintreten, wenn er sich demokratisiert und einen Rechtsstaat aufbaut, ist in der EU selbst unterminiert worden.
Neue Länder aufzunehmen ist von München bis Budapest keineswegs populär. Wenn jetzt darüber nachgedacht wird, ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu schaffen, in der auch im „dritten Ring“ die Staaten des Balkans zeitnah ihren Platz finden können, wird Bewegung in die verfahrene Lage gebracht.
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