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Kommentar EU-Verfahren gegen PolenWenn zwei sich streiten

Kommentar von Gabriele Lesser

Die EU eröffnet ein Strafverfahren gegen Polen. Der nationalpopulistischen PiS-Regierung ist das nur recht – sie strebt den „Polexit“ an.

Gericht in Warschau: Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der polnischen Justiz bedroht Foto: dpa

P olen lieben Superlative: Man will zu den Ersten gehören, zu den Größten und Besten. Nun steht Polen erneut ganz oben auf dem Treppchen, doch es gibt keinen Grund zum Feiern. Nicht Stolz, sondern Scham verspüren die meisten im Land. Am Mittwoch, den 20. Dezember 2017, eröffnete die Europäische Kommission ein Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages gegen ein Mitglied.

Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Denn dies passiert zum ersten Mal in der Geschichte der Gemeinschaft. Und das erste Land, das es trifft, ist ausgerechnet Polen, dessen Bürger so große Ambitionen haben. Nun werden sie EU-weit angeprangert, mit ihren Gesetzen die Rechtsstaatlichkeit im eigenen Lande zu gefährden.

„Dies ist ein trauriger Tag“, kommentierte EU-Ratspräsident Donald Tusk die Einleitung des Verfahrens gegen sein Heimatland. Traurig ist der Tag für beide Seiten – nicht nur für Polen, sondern auch für alle anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Polens nationalpopulistische Regierung indes lacht darüber nur. Sie steuerte ganz bewusst auf diese Katastrophe zu. Anders als den EU-Politikern in Brüssel oder Straßburg liegt Jaroslaw Kaczynski (68), dem Parteivorsitzenden der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), nichts an Kompromissen und einer Verständigung mit den Partnern. Im Gegenteil: je mehr Streit, desto besser. Ganz nach dem Motto: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“.

Polens Bürger sollen das Gefühl bekommen, dass es nur eine Macht gibt, die sie vor angeblich ungerechten EU-Richtlinien schützen kann: die Kaczynski-Partei

In Polen funktioniert das hervorragend: die Opposition ist zerstritten, die Zivilgesellschaft machtlos. Seit die PiS vor zwei Jahren die Wahlen gewann, attackieren Polens Präsident, die Regierungschefs und polnischen Minister die EU. Polens Bürger sollen das Gefühl bekommen, dass es neben der Nato und den USA nur eine einzige Macht gibt, die sie vor drohenden Gefahren und angeblich ungerechten EU-Richtlinien schützen kann: die Kaczynski-Partei.

Ziel der Partei ist der „Polexit“. Die wirtschaftliche Entwicklung in Polen ist so positiv, dass es nur mehr eine Frage der Zeit ist, wann sich Polen vom Netto-Empfänger der EU zum Netto-Zahler wandelt. Kurz davor will Kaczynski sein Land aus der EU führen, die Schuld dafür aber Brüssel und den anderen Mitgliedsstaaten in die Schuhe schieben. Streit mit der EU und Prozesse und Strafen sind dem nationalistischen Politiker daher hoch willkommen. Dadurch lässt sich prima eine Anti-EU-Stimmung bei den Bürgern erzeugen.

„Wir lassen uns nicht erpressen“, versicherte Polens neuer Premier Mateusz Morawiecki vor ein paar Tagen. Und am Mittwoch setzte Präsident Andrzej Duda nicht nur seine Unterschrift unter die letzten beiden umstrittenen Justiz-Reformgesetze, sondern machte in einem Fernsehinterview auch klar, wie „sehr viele Vertreter europäischer Institutionen“ einzuschätzen seien: „Sie lügen, wenn sie über Polen reden.“

Auch dieser Satz wird in die Geschichte der EU eingehen. Ein wirklich trauriger Tag.

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Auslandskorrespondentin Polen
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7 Kommentare

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  • Herzlichen Glückwunsch an Polen.

    Dort wird noch viel für das eigene Volk gemacht.

    Weiter so, man muss nicht jeden Käse der EU mitmachen und seine Eigenständigkeit aufgeben.

    • @J.utt.a:

      Was genau hat "das Volk" davon, wenn die Justiz ihre Unabhängigkeit so stark einbüßt?

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Die Richterschafft wird in Polen allgemein als korrupte Seilschaft angesehen. Und weil es wenig Vertraue in die (derzeitge) Justiz gibt, gibt es durchaus Zustimmung in der Bevölkerung zu einer Reform (ob die Mehrheit oder nicht will ich nicht beurteilen).

         

        Dass die aktuelle Reform hier wohl mehr Schaden anrichtet als korrigiert ist die andere Seite der Medaille...

  • "Der nationalpopulistischen PiS-Regierung ist das nur recht – sie strebt den „Polexit“ an."

     

    Wenn man als Journalist nicht im Konjunktiv schreibt, dann sollte man sich seiner Fakten sicher sein. Das sind nicht mal Spekulationen, das sind Lügen.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Diese falsche Behauptung geistert in letzter Zeit öfters durch die deutschen Medien. Offensichtlich war hier wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken...

  • Austritt Polens? Eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass man sich in der EU mit anderen Ländern zusammen tut, die die Rückabwicklung der EU in eine reine Wirtschaftsgemeinschaft anstreben.

     

    "...dass es neben der Nato und den USA nur eine einzige Macht gibt, die sie vor drohenden Gefahren ... schützen kann..."

     

    Das heutige Polen wird von den USA genau so gut beschützt, wie Polen 1939 von den Westmächten. Das will dort nur niemand wahrhaben.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Bei aller gerechtfertigten Kritik an der NATO, es gibt weder für Polen noch Deutschland aktuell eine Alternative zur NATO. Die EU ist ausdrücklich kein Verteidigungsbündnis und somit "schützt" die NATO Polen mit sicherheit besser als die EU. Das sich Polen aber an der NATO orientierst ist Schuld Deutschlands und der EU. Schließlich ist es der EU immer noch nicht gelungen sich von den USA zu empanzipieren und ein eigenes Verteidigungsbündnis als Alternative zu bieten.

       

      P.S.: Ich finde es immer lustig, wenn von deutscher Seite Kritik an historischen Vergleichen aus Polen kommen. Aber ihr Vergleich ist nicht besser, sondern schlechter. Denn er hinkt. Im Stichgelassen wurde Polen 1939 von den EUROPÄISCHEN Mächten und Frankreich und Großbritannien. Insofern ist aus dieser historischen Erfahrung durchaus nachvollziehbar, warum Polen sich an die USA/NATO orientiert.