Kommentar EU-Gipfel: Die „lahme Ente“ aus Deutschland
Auf dem EU-Gipfel gab es erneut kaum Erfolge im Kampf gegen die Eurokrise. Deutschland und Angela Merkel gelten inzwischen als Bremsklötze.
W ieder ein EU-Gipfel, wieder keine Erfolge im Kampf gegen die Eurokrise. Griechenland, Spanien, Zypern – alle Hilfen für die wankenden Südländer wurden vertagt. Auch die Bankenunion, ohne die die Krise nicht bewältigt werden kann, wurde aufgeschoben. Frankreich setzte zwar einen vagen Zeitplan durch. Doch Deutschland verhinderte, dass es wirklich vorangeht.
Das Schlimme ist, dass Kanzlerin Merkel das auch noch als Erfolg verkauft. Mit dem Slogan „Qualität vor Geschwindigkeit“ verschob sie die Bankenunion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Der erste Baustein, eine zentrale Finanzaufsicht, soll erst im Laufe des kommenden Jahres stehen und nicht, wie dies ihr Gegenspieler Hollande forderte, schon am 1. Januar.
Wann die gesamte Bankenunion mit strikten Regeln für die Abwicklung von Pleitebanken und einem gemeinsamen Krisenfonds steht, blieb völlig im Dunkeln. Die Vermutung liegt nahe, dass Merkel mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 bremst. Das wies sie nach dem Ende dieses überflüssigen Treffens allerdings weit von sich. „Ich habe nicht einmal an die Wahl gedacht“, behauptete sie.
ERIC BONSE ist Korrespondent der taz in Brüssel.
Doch Hollande warf ihr eine innenpolitisch motivierte Verzögerungstaktik vor. So wie Hollande denken viele. Merkel gilt in EU-Kreisen nicht mehr als das Zugpferd, das Europa entschlossen aus der Krise holt. Sie gilt als Lame Duck, als lahme Ente, die mit Rücksicht auf CSU und FDP überfällige Entscheidungen verhindert.
Merkels Macht schwindet aber auch, weil sich das Kräfteverhältnis verändert hat. Neuerdings sind es Hollande und die Südländer, die den Ton angeben. Deutschland hingegen kann sich nur noch auf Finnland und die Niederlande stützen. In ihrer Not verbündete sich Merkel sogar mit Nicht-Euro-Ländern wie Schweden. Die Krise löst man so bestimmt nicht.
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