Kommentar EU-Gipfel in Salzburg: Hauptsache abschotten
Statt Flüchtlinge in der EU fair zu verteilen, sollen Autokraten Europas Migrationsproblem in den Griff bekommen. Ein Armutszeugnis.
W orte sind verräterisch. Ägypten habe seine Grenze zum Mittelmeer „erfolgreich gesichert“, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter vor dem Sondergipfel der 28 Staats- und Regierungschefs, der heute in Salzburg zu Ende geht. Deshalb sei seit einem Jahr kein einziger Bootsflüchtling aus dem Land in Europa angekommen. „Und dafür mussten wir nicht einmal zahlen“, freute sich der Mann.
Das Militärregime in Kairo macht für uns die Schotten dicht – und das sogar gratis – wenn das kein Grund zur Freude ist! Da könne man doch glatt zu einer „vertieften Zusammenarbeit“ übergehen, heißt es denn auch beim Gipfel in Salzburg. Fest eingeplant ist bereits ein weiteres Treffen der EU mit der Arabischen Liga in Kairo.
Nach der Türkei könnten also bald weitere autokratisch regierte Länder helfen, einen „Ring von Freunden“ – oder eine hochaufgerüstete Mauer von Vasallenstaaten – rund um das Mittelmeer zu schaffen. Das Ganze natürlich im „Dialog“, bei dem auch die Menschenrechte angesprochen werden, wie Kanzlerin Angela Merkel gerne betont.
Dass Amnesty International dem Militärregime in Kairo schwere Menschenrechtsverstöße vorwirft, stört dabei wohl nicht weiter. „Asylsuchende und Flüchtlinge mussten mit Festnahme, Inhaftierung und Abschiebung rechnen, wenn sie das Land ohne gültige Reisedokumente betreten oder verlassen wollten“, heißt es im aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation.
Ein Entgegenkommen für Seehofer
Hauptsache abschotten – das scheint das Motto des Salzburger Treffens zu sein, zu dem Österreichs rechtslastiger Kanzler Sebastian Kurz geladen hat. Der „Alpen-Macron“, wie er schon einmal spöttisch genannt wird, sieht es als Erfolg an, dass die EU nun mit Staaten wie Ägypten spricht und den EU-Grenzschutz massiv ausbaut.
Auch der Kanzlerin ist das ganz recht. Denn zum einen kommt sie damit den Wünschen ihres Innenministers Horst Seehofer entgegen, der eine ganz ähnliche Agenda wie Kurz verfolgt. Zum anderen kann sie davon ablenken, dass sie ihrem Ziel – eine europäische, solidarische Lösung in der Flüchtlingspolitik – nicht näher kommt.
In Salzburg steht eine faire Umverteilung der Asylbewerber nicht einmal mehr auf der Tagesordnung. Die Debatte am zweiten und letzten Tag dürfte vielmehr um die Frage kreisen, was man mit den vergleichsweise wenigen Bootsflüchtlingen macht, die derzeit noch in Italien ankommen. Denn die populistische Regierung in Rom weigert sich weiterhin, die Migranten allein aufzunehmen.
Deshalb kommt es immer wieder zum Eklat. Beim letzten Mal mußte neben Albanien sogar die Katholische Kirche einspringen, um den Menschen, die auf dem Schiff „Diciotti“ festsaßen, eine Bleibe zu sichern. Eine „europäische Lösung“ war das nicht, auch wenn Merkel davon immer noch spricht. Es war eine Notlösung.
Autokratisch regierte Länder als Türsteher
Man darf gespannt sein, ob die Kanzlerin in Salzburg – neben ihrer wohlklingenden Rhetorik – mehr zu bieten hat. Aus der SPD kommen bereits Forderungen, Italien und Osteuropa rechts liegen zu lassen und mit einer „Koalition der Willigen“ voranzugehen. Das hatte Merkel allerdings bereits 2016 versucht. Ohne Ergebnis.
Wie man es auch dreht und wendet: Die EU ist mit ihrer Flüchtlingspolitik in einer Sackgasse gelandet. Vernünftige Lösungen scheitern immer wieder am mangelnden Einigungswillen der 28 Mitgliedsstaaten. Doch statt sich das endlich einzugestehen und einen Neustart zu versuchen, suchen Kurz und Merkel die Lösung außerhalb Europas – in der Türkei oder in Ägypten.
Autokratisch regierte Länder sollen den Türsteher machen, damit drinnen, im europäischen Haus, ein Burgfriede geschlossen werden kann mit Populisten und Nationalisten. Dies dürfte das Ergebnis von Salzburg sein. Es ist kein Signal des Aufbruchs, sondern ein Armutszeugnis.
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