Kommentar Dutroux' Ex-Ehefrau: Eine Justizreform ist überfällig

Die Politiker in Belgien haben es seit dem Fall Dutroux versäumt, das zweifelhafte Justizsystem zu reformieren. Dabei hatten sie dafür 16 Jahre Zeit.

Belgien ist in Aufruhr. Die Ex-Ehefrau des Kindermörders Marc Dutroux wird auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, nachdem sie gerade einmal die Hälfte ihrer 30-jährigen Haftstrafe abgesessen hat.

Das belgische Recht will das so: Verurteilte haben Anspruch auf Freilassung, auch wenn sie wegen Mordes oder anderer schwerwiegender Verbrechen eingesperrt wurden. Dass Menschen in die Gesellschaft zurückgeführt werden, ist ein richtiger Ansatz. Allerdings nur, wenn die Voraussetzungen stimmen, und das ist im Falle von Michelle Martin nicht der Fall – und zwar in zweierlei Hinsicht.

Die Unterlagen, die dem Gericht vorlagen, waren alles andere als eindeutig: Im psychologischen Gutachten heißt es zwar, das Risiko von Wiederholungstaten sei gering. Gleichzeitig empfehlen die Psychologen, die Therapie fortzusetzen, weil Michelle Martin noch nicht geheilt sei. Warum also, fragen sich viele in Belgien, wird sie dann nicht in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert? Die Richter bleiben die Antwort schuldig.

Das eigentliche Problem liegt nicht bei den Richtern, sondern im belgischen Justizsystem. Und die Politiker haben es seit dem Fall Dutroux versäumt, das zweifelhafte System zu reformieren. Dabei hatten sie dafür immerhin 16 Jahre Zeit. Seitdem kocht die Diskussion darüber. Die Richter entschieden im Falle Martin ausschließlich auf Grundlage von Gutachten und befragten die Anwältin der Täterin. Den Opfern ist die Möglichkeit einer Berufung verwehrt.

Besonders bitter ist das, wenn man bedenkt, dass auch Marc Dutroux Ende der 1980er Jahre vorzeitig aus der Haft entlassen wurde: Statt 13 Jahren saß er nur drei Jahre wegen Entführung und Vergewaltigung im Gefängnis. Erst danach entführte er sechs weitere Mädchen, brachte zwei davon um und ließ zwei verhungern.

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