Kommentar Drittes Hilfspaket: Schäuble, der Eisverkäufer
Ein deutscher Flughafenbetreiber übernimmt griechische Flughäfen. Das ist nur auf den ersten Blick eine Erfolgsnachricht.
Finanzminister Wolfgang Schäuble erinnert an einen Eisverkäufer, der in der prallen Sonne steht und dessen Kühlung ausgefallen ist. Seine Pläne schmelzen rasant dahin und lösen sich im Nichts auf.
Am Mittwoch soll der Bundestag über ein Hilfspaket für Griechenland abstimmen, doch schon jetzt steht fest, dass das Geld nicht reichen wird.
Wie realitätsfern die Ideen des Finanzministers sind, zeigt eine scheinbare Erfolgsnachricht: Der deutsche Flughafenbetreiber Fraport wird wohl 14 griechische Regionalflughäfen übernehmen – für 1,23 Milliarden Euro.
Das klingt erst einmal gut. Endlich kommt Geld in die klammen griechischen Kassen, könnte man denken. Doch tatsächlich muss diese Zahl bedrücken: Sie besagt nämlich, dass kaum noch weitere Privatisierungserlöse zu erwarten sind.
Griechenlands Flughäfen gehören zu den wenigen staatlichen Betrieben, die tatsächlich Gewinn abwerfen. Wenn selbst dort kaum mehr als eine Milliarde Euro zu holen ist, dann ist der Rest des Staatsbesitzes erst recht nicht lukrativ zu verwerten.
Mit griechischen Privatisierungserlösen wird jedoch fest gerechnet – so fest, dass sie sogar gleich zweimal in den Hilfsprogrammen eingeplant sind. Diese Doppelbuchung löst nun den Streit über die Frage aus, ob das gesamte Kreditvolumen bei 86 Milliarden oder gar bei über 92 Milliarden Euro liegt.
Die Debatte mag Unions-Hinterbänkler erregen, ist aber obsolet: Beide Milliardenbeträge sind nur Luftbuchungen Schäubles. Schon jetzt ist klar, dass Griechenland noch sehr viel mehr Geld benötigen wird.
Das unangenehme Stichwort heißt „Schuldenschnitt“. Wie der Internationale Währungsfonds detailliert kalkuliert hat, kann Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen – und zwar in keinem denkbaren Szenario.
Doch die Bundesregierung tut so, als könne der IWF nicht rechnen. Statt eines Schuldenschnitts sieht man in Berlin jetzt „Spielräume“, die Kreditlaufzeiten zu strecken und die Zinsen zu senken. Aber genau diese Szenarien hat der IWF auch schon analysiert.
Ergebnis: Die kosmetischen Maßnahmen, die sich die Bundesregierung vorstellt, funktionieren nicht. Es muss eine substanzielle Entlastung her.
Oder um beim Bild des Eisverkäufers zu bleiben: Der IWF stellt nüchtern fest, dass das Eis längst geschmolzen ist, das Schäuble noch unter die Leute bringen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett