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Kommentar Dresdner HandygateDie Aufarbeitung steht aus

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

In Dresden versagten alle Kontrollinstanzen. Jahrelang trieb die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Nazigegner voran – obwohl sie falschlag.

Neonazis marschieren in Dresden auf (Archivbild von 2011) Bild: dpa

W ar das Ermittlungsverfahren gegen die sogenannte kriminelle Vereinigung in Dresden nur ein Vorwand, um die Strukturen linker, mithin unliebsamer AktivistInnen auszuleuchten? Die Antwort scheint naheliegend: Wer einmal auf Grundlage des Gummiparagrafen 129 ermitteln darf – also um eine „kriminelle Vereinigung“ zu finden –, dem stehen plötzlich sehr umfangreiche Ermittlungsansätze offen.

Und weil sich öffentliche Repräsentanten in Dresden von jeher mit den Anti-Nazi-Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet schwertaten, schlussfolgerten viele: Was die Behörden dort abzogen, konnte nur politische Gründe haben. Doch so einfach ist es nicht.

Tatsächlich ging den Ermittlungen ja eines voraus: Neonazis in Sachsen wurden wiederholt übel zugerichtet. Das war massive Gewalt, Gewalt gegen Menschen, und nicht nur eine Fantasie des LKA. Natürlich muss eine Staatsanwaltschaft ermitteln, wenn sich Hinz und Kunz die Köpfe einschlagen. So weit, so gut.

In Dresden aber entstand ein strukturelles Problem: Die Kontrollinstanzen versagten. Obwohl die LKA-Ermittler jahrelang auf dem Holzweg waren, trieb die Staatsanwaltschaft das Verfahren immer weiter.

Dresdner Amtsrichter gaben auch dann noch leichtfertig ihr Okay, als Polizisten Partei- und Anwaltsräume stürmen wollten. Selbst als eine bundesweite Debatte über die Maßlosigkeit der Ermittlungen tobte, verstand sich Dresden, einschließlich der Landesregierung, vor allem auf Rechtfertigung.

Es ist dieses Kollektivversagen, das – auch politisch – aufgearbeitet werden muss. Doch auch seit bekannt ist, dass all die Rechtfertigungen falsch waren, ist von Aufarbeitung nichts zu spüren. Wenn Behörden aus groben Fehlern keine Schlüsse ziehen, ist es Versagen. Wenn sie keine Schlüsse ziehen wollen, ist es Vorsatz.

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Martin Kaul
Reporter
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5 Kommentare

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  • Man kann also sagen: Es war vorsätzliches Versagen!

    (24092014, 11:30)

  • Dresden ist sowieso ziemlich rechts und hat merkwürdige Sitten, dort werden sogar Schwarzfahrer in die Forensik eingesperrt.

  • "Natürlich muss eine Staatsanwaltschaft ermitteln"

     

    Und ob sie das tut. Das würde sie in andere Richtung doch genauso tun, oder etwa nicht?

     

    Im Ernst, da werden ein paar rechte Schläger verkloppt und schon geht man von organisiertem 'linken' Terror aus? Es scheint als wünschte man sich den sehnlichst herbei...

     

    Schonmal dran gedacht, dass das auch innerhalb des rechten Milieu passiert sein könnte? Wäre keine Seltenheit.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ein rechtslastiger Staat ist logischerweise gegen links besonders empfindlich.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    In Dresden wurde auch der Fehler gemacht, den gewaltbereiten Arm der Antifa bzw. selbsternannte "revolutionäre" Gruppen mit dem politisch mittig angesiedelten, aber ebenfalls antifaschistisch denkenden Bürger gleichzusetzen. Dass der Staat vermeintlich staatszersetzende Gruppen beobachtet, erst recht dann, wenn diese straffällig werden - das ist klar. Wenn aber die Unschuldsvermutung fällt, das Recht auf Versammlung und Meinungsäußerung eingeschränkt wird und in Schauprozessen demonstriert wird, dass der Staat politisch den Neonazis näher steht als deren Gegnern - dann stimmt etwas mit diesem Staat nicht.