Kommentar Deutschland im Sturmtief: First World Problems
Beim Sturm „Xavier“ gab es Tote, Existenzen wurden zerstört. Und die Leute? Regen sich auf, weil sie mit dem Enkel nicht zum Zoo können. Geht's noch?
M imimi. Ich bin nicht nach Hause gekommen. Straßen sind gesperrt. Ich bin mit meinem ICE „gestrandet“. Das Geheule und Genöle im Nachgang von Sturmtief „Xavier“ quillt aus allen Ritzen des deutschen Gemüts.
Männer bellen in Berliner U-Bahnhöfen lautstark in ihr Telefon, weil sich ihr „verfickter Zug“ ein paar Minütchen verspätet. Frauen fahren ihre Ellenbogen aus, weil sie dringender als alle anderen durch die total verstopfte Stadt nach Hause wollen. Und wenn man den Fernseher anschaltet, nörgeln Touristen ins hingehaltene Mikrofon, sie seien wegen „Xavier“ nicht in den Berliner Zoo gekommen.
Ja, schon klar, vermutlich trägt ihr Enkelkind jetzt ein schweres Trauma mit sich herum, weil es die Pandas nicht wie versprochen präsentiert bekommen hat. Fehlt bloß noch, dass jemand „Danke, Merkel!“ heult.
Leute! Jetzt mal ein bisschen Impulskontrolle, ja?!
Sieben Menschen sind gestorben. Viele sind verletzt worden. Zehntausende Einsätze hat die Feuerwehr gefahren. Häuser und Autos sind zerstört worden. Existenzen wurden zerstört. Das lautstarke Einfordern augenblicklich zu erfüllender persönlicher Ansprüche ist so was von infantil. Und unsolidarisch. Der Bürger ignoriert lieber die realen Verhältnisse und stellt seine persönlichen Bedürfnisse über die von anderen, denen es viel schlechter geht. Um die sollen sich mal andere kümmern. Me first.
Dass kein Zug fährt, hat einen Grund. Dass Straßen gesperrt sind, auch. Und dass Fahrgäste in ausnahmsweise mal zu „Aufenthaltszügen“ umetikettierten ICEs kampieren müssen, ist sehr unbequem. Aber immerhin sicher. Soll der Zug weiter fahren, direkt in die nächste Eiche im Gleisbett? Selbst in der Not zeigt sich, wie doof manche Leute sein können. First world problems in einer Ausnahmesituation. Das kriegt echt nicht jeder hin. Wir schon.
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