Kommentar Dax-Absturz: Kein Vertrauen in die Konjunktur
Es ist Quatsch, zu glauben, alle Deutschen könnten ihr Vermögen sichern, indem sie Aktien kaufen. Vermögen lässt sich nicht individuell retten.
A uf jeder Party kommt dieselbe Frage auf: Soll man Aktien kaufen? Denn der Blick aufs Sparkonto stimmt traurig. Dort gibt es nur Minizinsen – die noch nicht einmal die Inflation ausgleichen. Das eigene Vermögen schrumpft. Für dieses vage Gefühl gibt es auch eine amtliche Bestätigung: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelte in der vergangenen Woche, dass das Vermögen der Deutschen zwischen 2003 und 2013 um etwa 15 Prozent gesunken ist — wenn man die Geldentwertung berücksichtigt. Also rein in die Aktien?
Dieser beliebte Tipp eines jeden Bankberaters wirkt seit Neuestem nicht mehr so attraktiv: Innerhalb weniger Wochen ist der deutsche Aktienindex DAX um knapp 20 Prozent gefallen. Gleichzeitig überlegen aber schon die ersten Partygäste, ob nicht genau dieser Sinkflug ein sicheres Zeichen dafür ist, dass man sich jetzt an die Börse trauen sollte? Nach dem Motto: Die Kurse können sich doch nur noch erholen!
Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Einzelne riskant an der Börse spekulieren. Aber es wäre Quatsch, zu glauben, alle Deutschen könnten ihr Vermögen sichern, indem sie Aktien kaufen. Dieser Ansatz verwechselt Betriebswirtschaft mit Volkswirtschaft. Denn die Zahl der Aktien wird nicht größer, wenn sich mehr Leute an der Börse tummeln. Es steigt nur der Kurs der Aktien. Es kommt zu einer Inflation, die nicht dadurch besser wird, dass man sie „Wertsteigerung“ nennt.
Zudem bleibt das ursprüngliche Problem ungelöst: wohin mit dem Geld? Der Käufer der Aktien hat zwar jetzt Aktien, aber dafür hat der Verkäufer der Aktien nun Geld.
Es ist banal: Kein Deutscher lebt auf einer Insel, auf der nur er und sein Schrebergarten zu Hause sind. Vermögen lässt sich nicht individuell retten, weil es davon abhängt, wie sich die Wirtschaft entwickelt. Die Spekulanten haben dies begriffen: Die Börse bricht ein, weil sie der Konjunktur nicht mehr trauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin