Kommentar Dänemarks Asylpolitik: Eheringe zur Abschreckung
Der dänischen Regierung geht es nicht um Geld oder Schmuck, sondern allein um Abwehr. Darin ist sie ein Vorbild für andere Regierungen.
E s sei der „am meisten missverstandene Gesetzesvorschlag Dänemarks“, klagte Ministerpräsident Løkke Rasmussen. Tatsächlich war das „Schmuckgesetz“, das einige Medien zum Vergleich mit Nazimethoden veranlasst hatte, schon vor seiner parlamentarischen Behandlung am Dienstag von allen dänischen Asylverschärfungen diejenige gewesen, die international die größte Aufmerksamkeit erregte. Und das war durchaus Kalkül.
Bei jedem weiteren empörten Bericht, Dänemark wolle Asylsuchenden nicht nur Geld, sondern auch Schmuck und womöglich Eheringe und Handys abnehmen, dürfte sich Migrationsministerin Inger Støjberg zufrieden die Hände gerieben haben.
Natürlich geht es Kopenhagen nicht um Geld oder Schmuck, sondern allein um Abschreckung. Die Furcht, sich an der Grenze erst einmal einer Leibesvisitation unterziehen zu müssen und regelrecht ausgeplündert zu werden, soll Flüchtlinge davon abhalten, Dänemark überhaupt als Asylland in Erwägung zu ziehen.
Die von Støjberg auch im EU-Parlament wiederholte Klage, man sei „missverstanden“ worden, ist nichts als Theater. Die Symbolpolitik von Regierung und Parlamentsmehrheit zielt darauf ab, genau so verstanden zu werden: bloß nicht Gefahr laufen, den Spitzenplatz als Land mit der schärfsten Asylgesetzgebung in Zweifel ziehen lassen.
Die „Schmuckdebatte“ lenkt darüber hinaus von den wirklich substanziellen Asylrechtsverschärfungen ab. Beispielsweise von den Erschwernissen bei der Familienzusammenführung, die gegen die Menschenrechtscharta verstoßen. Dänemark wurde zwar vor das Europäische Parlament zitiert, bekam aber dort von der Großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten kaum Kritik zu hören. Und das hat einen offensichtlichen Grund: Viel von dem, was Dänemark in den letzten Jahren vormachte, haben sich mittlerweile andere Regierungen zum Vorbild genommen.
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