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Kommentar DB-NahverkehrszügeDie Apokalypse auf Schienen

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Woran merkt man, dass DB-Manager nie Regionalbahn fahren? An ihrem Plan, Reservierungen auch in Nahverkehrszügen einzuführen.

Man will nicht mit ihnen fahren, aber muss es oft Foto: dpa

I m neuen Jahr möchte die DB mehr Reservierungen im Nahverkehr anbieten. Angezeigt werden die gebuchten Plätze freilich nicht. Auf Vorlage des Belegs wird „Reise nach Jerusalem“ gespielt – lustig, wie beim Kindergeburtstag! Freudenrufe und glockenhelles Lachen schallen durch den RE3 von Stralsund nach Elsterwerda.

Doch wie steht es mit der Machbarkeit, dieser fiesen, kleinen Schwester der guten Absicht? Man wird das Gefühl nicht los, dass die Verantwortlichen wohl nicht so recht wissen, was Regionalverkehr bedeutet. Die „Regibahn“, wie sie der Volksmund in einer Mischung aus Abscheu und Anerkennung, die sich aus der uralten Faszination für das Böse speist, gerne nennt, ist so wenig das Verkehrsmittel der Bahnmanager wie Maultier oder Draisine.

Darum erklären wir die Sache kurz: In besagtem RE3 herrscht Freitagnachmittag an jedem Halt im Berliner Stadtgebiet Ausnahmezustand. Der Ausstieg ist schwer, der Zustieg unmöglich, die Türen sind blockiert, auf den Treppen stehen, wie Sardinen gedrängt, die Fahrgäste. Von Bahnhof zu Bahnhof addiert sich die Verspätung. Am Wochenende wiederum fahren Fußballfans plündernd und kloverstopfend durch die Lande.

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Die absolute Apokalypse auf Schienen ist jedoch eine Fahrt mit dem RE1 während des Baumblütenfests in Werder bei Potsdam. Mir öffnen sich bereits beim Anblick eines „Obstwein“-Etiketts im Supermarkt unkontrolliert Tränensack und Schließmuskel und das alles nur wegen dieses einen Tages, an dem er bei der Einfahrt in das Havelstädtchen aus dem Fenster blickte und sich auf der Stelle tot wünschte.

Auf dem Bahnsteig hinderte ein Spalier Bullen in Kampfmontur eine entfesselte Meute Volltrunkener daran, in die Gleise zu fallen. Als die Bahn hielt, traten die Beschützer beiseite und machten den Weg frei zum Sturm. Ein Wimmern drang an mein Ohr – möglich, dass es mein eigenes war. Nur Sekunden später brandete eine Welle des Gestanks, des Lärms und des Irrsinns derart gegen, in und durch den Zug, dass sie ihn fast umgeworfen hätte.

Man wollte sich nicht vorstellen, dass an der nächsten Station jemand zusteigen könnte und mit den Worten: „Sorry, ich hab ’ne Reservierung“, einen besetzten Platz beanspruchte. Die Bestien hätten ihn bei lebendigem Leib zerrissen.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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5 Kommentare

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  • Ich hab mich schon immer gefragt, waum in notorisch überfüllten Regionalzügen gigantische Wohlfühlsessel als Sitzmöbel eingebaut werden, wenn sowieso 2/3 der Passagiere stehen müssen (obwohl sie dengleichen vollen Preis zahlen) - und die Sitzenden deren Ellbogen im Gesicht haben.

    Man könnte die Sitze einfach weglassen, abgesehen von ein paar für stehunfähige Menschen wie Alte und Schwerbehinderte.

    Diese Reservierungspläne sind nur "wirtunwas"-Blendereien von einem hilflosen und unfähigen Management.

  • Es gibt dann extra Abteile, meist die der ehemaligen 1. Klasse, die reserviert werden können. Wenn das Kontingent verbraucht ist, ist auch keine Reservierung mehr möglich.

     

    So zumindest bieten das schon regionale Anbieter an.

     

    Die Abteile sind auch entsprechend beschriftet, so dass jede/r weiß, dass die Plätze ggfs. frei zu geben sind.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Noch eins drauf:

    Diese Züge sind nicht dafür gemacht, um Personen zu befördern. Hier im Badischen herrschen ähnlich katastrophale Zustände in der Regionalbahn. Wer versucht, mit einem Kinderwagen oder gar einem Fahrrad zu reisen, muss dann schon mal ein Stündchen auf die nächste Bahn warten.

    Dafür wurden vergangenes Jahr einige Verbindungen im Halb-Stunden-Takt gestrichen. Seitdem ist es so voll, dass beim Umsteigen in Offenburg oder in Karlsruhe kein Anschluss klappt.

     

    Wer macht sowas? Wer plant das? Wenn selbst die Bahnsteige nicht mehr den Menschenstrom fassen können?

     

    Das sind bewusst herbeigführte Zustände: Bahnfahren darf keinen Spaß machen! Kauft euch Autos - schnell!

     

    Ich warte auf Zustände wie in Indien: Wer Glück hat bekommt einen Sitzplatz auf dem Dach, andere müssen sich von außen an den Türen festhalten.

  • Man könnte natürlich auch mehr und längere Züge einsetzen. Das kostet jedoch Geld, welches das Land Berlin nicht ausgeben will - schließlich leistet man sich ja einen tollen Flughafen. Die Bahn wiederum will nicht ohne Gegenleistung mehr Züge einsetzen - und hat diese vielleicht wegen der fehlgeleiteten Mehdorn-Politik auch nicht.

    Eine Reservierung klingt da in den Augen der Bahnmanager_innen als gute Lösung. Sie kostet das Land nichts. Sie bringt der Bahn zusätzliche Einnahmen bei marginalen Kosten. Dass sie das Problem der überfüllten Züge nicht löst, spielt da nur am Rande eine Rolle.

    • @Velofisch:

      Wohl eher das Land Brandenburg nicht. Denn in Brandenburg verkehrt der Großteil der Regiozüge. Und in Brandenburg liegt auch der BER.